03.12.2024
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Dokument-Nr. 13526

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Bundesarbeitsgericht Urteil22.05.2012

Fortdauernde Arbeits­un­fä­higkeit: Tariflicher Mehrurlaub kann verfallenRegelung zur Urlaub­s­ab­geltung im Krankheitsfall bezieht sich nur auf gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen

Ist ein Arbeitnehmer fortdauernd arbeitsunfähig erkrankt, verfällt sein Minde­st­ur­laubs­an­spruch entgegen § 7 Abs. 3 BUrlG aufgrund europa­recht­licher Vorgaben nicht schon am 31. März des Folgejahres. Tariflicher Mehrurlaub, der den Mindest­jah­res­urlaub von vier Wochen übersteigt, verfällt hingegen zum 31. Mai des Folgejahres. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

Im zugrunde liegenden Streitfall (Az 9 AZR 575/10) beträgt der Urlaubsanspruch des Klägers gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 des auf das Arbeits­ver­hältnis der Parteien anwendbaren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) 30 Arbeitstage. § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD bestimmt abweichend von der Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG, dass der Erholungsurlaub im Falle seiner Übertragung bis zum 31. Mai des Folgejahres angetreten werden muss, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März des Folgejahres angetreten werden konnte.

Kläger verlangt wegen dauerhafter Arbeits­un­fä­higkeit Mehrurlaub als Ersatzurlaub

Mit seiner Klage hat der 1950 geborene und seit 1974 bei der beklagten Stadt als Angestellter beschäftigte Kläger für die Jahre 2007 und 2008 jeweils 10 Tage Mehrurlaub als Ersatzurlaub verlangt. Der Kläger konnte diesen Mehrurlaub weder in diesen Jahren noch bis zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahres antreten, weil er vom 23. Juni 2007 bis zum 7. Oktober 2009 arbeitsunfähig war. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Tarif­ver­trags­parteien dürfen Bezugszeitraum für Mehrurlaub bei fortdauernder Krankheit frei regeln

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts keinen Erfolg. Das Gericht verwies in seiner Entschei­dungs­be­gründung darauf, dass der Minde­st­ur­laubs­an­spruch eines Arbeitnehmers, der fortdauernd arbeitsunfähig erkrankt ist, entgegen § 7 Abs. 3 BUrlG aufgrund europa­recht­licher Vorgaben nicht schon am 31. März des Folgejahres verfällt. Der von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleistete Anspruch auf Mindest­jah­res­urlaub von vier Wochen darf nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht vor Ablauf eines den Bezugszeitraum deutlich übersteigenden Zeitraums verfallen, wenn der Arbeitnehmer wegen Arbeits­un­fä­higkeit seinen Urlaub nicht nehmen konnte. Die Tarif­ver­trags­parteien können hiervon abweichend Urlaubs- und Urlaub­s­ab­gel­tungs­ansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindest­jah­res­urlaub von vier Wochen übersteigen (Mehrurlaub), frei regeln. Ob sie von dieser Regelungsmacht Gebrauch gemacht haben, ist durch Auslegung der maßgeblichen Tarif­be­stim­mungen festzustellen.

BAG: Mehrurlaub ist zum 31. Mai des Folgejahres verfallen

Im zugrunde liegenden Fall haben die Tarif­ver­trags­parteien des TVöD zwar nicht ausdrücklich zwischen dem gesetzlichen, unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub von vier Wochen und dem tariflichen Mehrurlaub differenziert. Sie haben sich jedoch mit der Regelung in § 26 Abs. 2 TVöD hinreichend deutlich vom gesetzlichen Fristenregime in § 7 Abs. 3 BUrlG gelöst, indem sie die Übertragung und den Verfall des Urlaubs­an­spruchs eigenständig geregelt haben. Dies hindert die Annahme eines „Gleichlaufs“ des gesetzlichen Mindesturlaubs und des tariflichen Mehrurlaubs und bewirkt, dass der Mehrurlaub aus dem Jahr 2007 am 31. Mai 2008 und der Mehrurlaub aus dem Jahr 2008 am 31. Mai 2009 gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD verfallen sind.

Abgeltung von Mehrurlaub nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder

Der Senat hat am selben Tag der Revision eines Arbeitnehmers (Az 9 AZR 618/10) teilweise stattgegeben, der ihm nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zustehenden Mehrurlaub aufgrund der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses abgegolten haben wollte. Er hat entschieden, dass die Urlaubsregelung im TV-L den Anspruch des Beschäftigten auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs nicht daran knüpft, dass der Beschäftigte zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses arbeitsfähig ist oder seine Arbeits­fä­higkeit während des tariflichen Übertra­gungs­zeitraums wieder erlangt.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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