21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 28951

Drucken
Urteil07.07.2020Bundesarbeitsgericht9 AZR 401/19
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil24.07.2019, 5 sa 676/19
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil07.07.2020

BAG erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zu Verfall des Urlaubs bei KrankheitGilt die 15-Monatsfrist auch bei unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers?

Zur Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin bei seither ununterbrochen fortbestehender Arbeits­un­fä­higkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen kann, hat der Neunte Senat des Bundes­arbeits­gerichts ein Vorab­entscheidungs­ersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die bei der Beklagten beschäftigte Klägerin ist seit ihrer Erkrankung im Verlauf des Jahres 2017 durchgehend arbeitsunfähig. Von ihrem Urlaub für das Jahr 2017 nahm sie 14 Urlaubstage nicht in Anspruch. Die Beklagte hatte die Klägerin weder aufgefordert, ihren Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertra­gungs­zeitraums verfallen kann.

Klage auf Urlaubsanspruch bei einer Langzei­ter­krankung

Mit der Klage begehrt die Klägerin festzustellen, dass ihr die restlichen 14 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2017 weiterhin zustehen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaub sei nicht verfallen, weil die Beklagte es unterlassen habe, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Die Beklagte hat geltend gemacht, der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei spätestens mit Ablauf des 31. März 2019 erloschen.

EuGH soll die Frage nach dem Verfall des Urlaubs klären

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Für die Entscheidung, ob der Urlaub der Klägerin aus dem Jahr 2017 am 31. März 2019 oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen ist, kommt es für das BAG auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten ist. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat das Bundes­a­r­beits­gericht verschie­dentlich unionsrechts-konform ausgelegt.

Bisherige EuGH-Rechtsprechung geht von Hinweispflicht des Arbeitgebers aus

Im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2018 (- C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) zu Art. 7 RL 2003/88/EG (Arbeits­zei­trichtlinie) sowie zu Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat das BAG erkannt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertra­gungs­zeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Gesetzliche Urlaubs­ansprüche bei fortdauernder Arbeits­un­fä­higkeit erlöschen 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesund­heit­lichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, sei § 7 Abs. 3 BUrlG nach Maßgabe der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. November 2011 (- C-214/10 - [KHS]) außerdem dahin, dass gesetzliche Urlaubs­ansprüche bei fortdauernder Arbeits­un­fä­higkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen.

Gilt die 15-Monatsfrist auch bei unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers?

Für die Entscheidung des Rechtstreits bedarf es nunmehr einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubs­an­spruchs nach Ablauf dieser 15-Monatsfrist oder ggf. einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungs-obliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeits­un­fä­higkeit zumindest teilweise hätte nehmen können.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil28951

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI