24.11.2024
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Dokument-Nr. 10970

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Bundesarbeitsgericht Urteil27.01.2011

BAG zum Schutz behinderter, aber nicht schwer­be­hin­derter Menschen bei der Besetzung freier ArbeitsstellenNach Inkrafttreten des AGG keine Anwendung des SGB IX auf nicht schwer­be­hinderte Menschen mehr möglich

Nur wer unter den Anwen­dungs­bereich der Schutz­vor­schriften für schwer­be­hinderte Menschen nach dem Sozial­ge­setzbuch (SGB IX) fällt, kann sich auch auf diese berufen. Das sind schwer­be­hinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 oder die diesen durch ein förmliches Verfahren gleich­ge­stellten Menschen. Wer nicht zu diesem Personenkreis gehört, kann sich zur Abwehr einer Benachteiligung wegen Behinderung ab August 2006 auf das Allgemeine Gleich­be­hand­lungs­gesetz (AGG) berufen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

Für die Klägerin, die u.a. eine Ausbildung zur Gesund­heits­kauffrau absolviert hat, ist ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt worden. Ihrem Antrag auf Gleichstellung mit schwer­be­hin­derten Menschen war nicht entsprochen worden. Die Klägerin bewarb sich bei der Beklagten für die Stelle einer Sekretärin des Chefarztes und wies dabei ausdrücklich auf den bei ihr vorliegenden Grad der Behinderung von 40 hin. Die Beklagte besetzte die Stelle mit einer anderen Bewerberin, ohne die Bestimmungen des SGB IX zum Schutz von schwer­be­hin­derten Menschen zu beachten oder die Klägerin zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzuladen.

Ablehnung wegen Behinderung vermutbar

Die Klägerin sieht sich als Behinderte benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung. Zwar habe sie keinen Grad der Behinderung von 50 und sei auch nicht gleichgestellt worden. Letzteres sei ihr aber für den Bedarfsfall zugesichert worden. Die Beklagte habe bei der Stellen­be­setzung mehrfach das SGB IX verletzt, was die Vermutung auslöse, dass bei der Ablehnung der Klägerin ihre Behinderung eine Rolle gespielt habe. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht entkräften können.

Klägerin kann sich nicht auf SGB IX berufen

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Die Beklagte musste die Klägerin nicht nach den Vorschriften des SGB IX behandeln, da die Klägerin dafür die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie fällt nicht unter den Anwen­dungs­bereich der Schutz­vor­schriften des SGB IX. Deshalb kann sich die Klägerin auch nicht auf sonstige Verletzungen der Vorschriften des SGB IX berufen. Auch dafür müsste sie schwerbehindert oder den schwer­be­hin­derten Menschen gleichgestellt sein. Allerdings stehen seit August 2006 alle behinderten Menschen unter dem Schutz des AGG. Die Klägerin hat sich jedoch ausschließlich auf die Verletzung von Vorschriften des SGB IX berufen und keine Tatsachen vorgetragen, die die Vermutung für eine Benachteiligung im Sinne des AGG auslösen. Nachdem mit dem AGG die Rahmen­richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 in deutsches Recht umgesetzt ist, kommt die zwischen­zeitlich notwendige entsprechende Anwendung der Regeln des SGB IX auf nicht schwer­be­hinderte Menschen nicht länger in Betracht.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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