18.10.2024
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Dokument-Nr. 23241

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Urteil23.03.2016Bundesarbeitsgericht7 AZR 828/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 2016, 1787Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2016, Seite: 1787
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Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Ulm, Urteil10.12.2012, 4 Ca 280/12
  • Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil17.06.2013, 1 Sa 2/13
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil23.03.2016

BAG: Unwirksamkeit einer befristeten Arbeits­zei­t­er­höhung aufgrund jahrelanger Befristung der Arbeits­zei­t­er­höhungArbeitnehmer wird durch Befristung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt

Eine befristete Arbeits­zei­t­er­höhung kann gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn es bereits seit Jahren zu einer Befristung von Arbeits­zeit­erhöhungen kam. Die ständige Befristung lässt nämlich auf einen dauerhaften Bedarf an der zusätzlichen Arbeitsleistung schließen. Der von der Befristung betroffene Arbeitnehmer wird dadurch unangemessen benachteiligt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein in einer Heimschule beschäftigter Lehrer in Teilzeit war seit dem Schuljahr 2001/2002 jedes Jahr von einer befristeten Arbeitszeiterhöhung betroffen. Hintergrund dessen waren überwiegend Teilzeit­be­schäf­ti­gungen, Reduzierungen der Unter­richts­s­tunden (sog. Deputats­re­du­zie­rungen), Urlaub oder Erkrankungen anderer Lehrkräfte. Für das Schuljahr 2011/2012 wurde schließlich eine weitere befristete Erhöhung der Unter­richts­s­tunden vereinbart. Als Grund wurde, wie die Jahre zuvor, Deputats­re­du­zie­rungen anderer Lehrkräfte genannt. Der Lehrer war damit nunmehr nicht mehr einverstanden. Seiner Meinung nach sei er durch die Befristung der Arbeits­zei­t­er­höhung unangemessen benachteiligt worden. Die wiederholte Erhöhung der Unter­richts­s­tunden belege, dass ein ständiger Bedarf an zusätzlicher Arbeitsleistung bestehe. Er erhob daher gegen die befristete Arbeits­zei­t­er­höhung Klage.

Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht hielten befristete Erhöhung der Unter­richts­s­tunden für unwirksam

Sowohl das Arbeitsgericht Ulm als auch das Landes­a­r­beits­gericht Baden-Württemberg hielten die befristete Erhöhung der Unter­richts­s­tunden für unwirksam. Der Lehrer sei dadurch unangemessen benachteiligt worden. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Schulträgerin.

Bundes­a­r­beits­gericht bejaht ebenfalls Unwirksamkeit der befristeten Arbeits­zei­t­er­höhung

Das Bundes­a­r­beits­gericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Schulträgerin zurück. Der Lehrer sei durch die befristete Arbeits­zei­t­er­höhung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt worden. Dies habe die Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien ergeben.

Interesse an unbefristete Vereinbarung des Arbeits­zei­t­umfangs überwiegt

Der Schulträgerin sei, nach Ansicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts, grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran zuzuerkennen, im Hinblick auf immer wieder auftretende längerfristige Ausfälle von Lehrkräften oder Änderungen in der Anzahl, deren Unter­richts­s­tunden die Arbeitszeit anderer Lehrkräfte vorübergehend schul­jah­res­bezogen aufzustocken. Dem stehe aber das berechtigte Interesse des Lehrers an der unbefristeten Vereinbarung des Arbeits­zei­t­umfangs entgegen. Denn vom Umfang der Arbeitszeit hänge die Höhe des Einkommens ab. Zudem sei eine längerfristige Lebensplanung bei einer nur befristeten Vereinbarung über das Arbeits­zeit­volumen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Dieses Interesse des Arbeitnehmers müsse zwar in der Regel dem Interesse des Arbeitgebers weichen, wenn der Arbeitgeber durch die befristete Erhöhung der Arbeitszeit die zeitweilige Arbeits­ver­hin­derung von Stammpersonal oder die vorübergehende Reduzierung von deren Arbeitszeit überbrücken wolle. So habe der Fall hier hingegen nicht gelegen.

Wiederholte Befristung lässt auf ständigen Bedarf schließen

Nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts habe die seit dem Schuljahr 2001/2002 wiederholt befristete Aufstockung der Unter­richts­s­tunden dafür gesprochen, dass ein ständiger Bedarf an zusätzlicher Arbeitsleistung durch den Lehrer vorgelegen habe. Aufgrund dessen sei der Schulträgerin ein Interesse an einer weiteren befristeten Aufstockung für das Schuljahr 2011/2012 nicht anzuerkennen gewesen. Die zeitweilige Arbeits­ver­hin­derung und Reduzierung der Anzahl der Unter­richts­s­tunden beim Stammpersonal habe einen Dauerzustand dargestellt. Ein solcher Zustand rechtfertige es nicht, die Arbeitszeit eines teilzeit­be­schäf­tigten Lehrers über Jahre hinweg jeweils nur befristet aufzustocken, wenn ein dauerhafter Bedarf an der zusätzlichen Arbeitsleistung bestanden habe.

Zulässigkeit der befristeten Arbeits­zei­t­er­höhung kann sich nach Teilzeit- und Befris­tungs­gesetz richten

Das Bundes­a­r­beits­gericht verwies in seiner Entscheidung zudem darauf, dass im Falle einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang Umstände vorliegen müssen, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt über das erhöhte Arbeitsvolumen nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befris­tungs­ge­setzes (TzBfG) rechtfertigen können, um eine unangemessene Benachteiligung auszuschließen. Eine Arbeits­zei­t­er­höhung in erheblichem Umfang liege in der Regel nur vor, wenn sich das Aufsto­ckungs­volumen auf mindestens 25 % einer entsprechenden Vollzeit­be­schäf­tigung belaufe. Da dies hier nicht Fall gewesen sei, habe es nicht eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG bedürft. Vielmehr sei es auf eine Abwägung der wechselseitigen Interessen angekommen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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