18.10.2024
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Dokument-Nr. 12712

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Bundesarbeitsgericht Urteil08.12.2011

Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden durch Bevoll­mäch­tigten des Ausbilders gegenüber den Eltern des AuszubildendenBundes­a­r­beits­gericht entscheidet zu § 174 BGB

Kündigt ein Bevoll­mäch­tigter des Ausbilders das Ausbil­dungs­ver­hältnis eines minderjährigen Auszubildenden gegenüber den Eltern des Auszubildenden, ohne dass er dem Kündi­gungs­schreiben eine Vollmachts­urkunde beifügt, so wird diese Kündigung wirksam, wenn die Eltern die Kündigung nicht unverzüglich im Sinne von § 174 Satz 1 BGB zurückweisen. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden.

Das Berufs­aus­bil­dungs­ver­hältnis beginnt mit einer Probezeit. Während dieser Zeit kann es gemäß § 22 Abs. 1 des Berufs­bil­dungs­ge­setzes (BBiG) sowohl vom Auszubildenden als auch vom Ausbildenden jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Eine solche Kündigung muss jedoch noch während der Probezeit zugehen. Ist der Auszubildende minderjährig und damit nach § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig, wird die Kündigung nach § 131 Abs. 2 BGB erst dann wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht. Ist eine Kündi­gungs­er­klärung mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und gelangt sie - etwa durch den Einwurf des Kündi­gungs­schreibens in seinen Hausbriefkasten - tatsächlich in dessen Herrschafts­bereich, ist der Zugang bewirkt.

§ 174 BGB

Eine Kündigung, die ein Bevollmächtigter erklärt, von dessen Bevoll­mäch­tigung der Gekündigte nicht zuvor durch den Vollmachtgeber in Kenntnis gesetzt wurde, ist gemäß § 174 BGB unwirksam, wenn der Kündigung keine Vollmachts­urkunde beigefügt ist und der Gekündigte die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.

Sachverhalt

Der am 15. April 1991 geborene Kläger schloss - vertreten durch seine Eltern - mit der Beklagten einen Vertrag über eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik für die Zeit ab 1. August 2008. Der Ausbil­dungs­vertrag enthielt eine dreimonatige Probezeit. Der Ausbildende erklärte mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Kläger, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Klägers und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Dort fand es der Kläger zwei Tage später und verständigte seine Mutter telefonisch von der Kündigung, die vom Kündi­gungs­schreiben nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4. November 2008 tatsächlich Kenntnis erhielt. Mit einem Schreiben seiner Prozess­be­voll­mäch­tigten, das beim Ausbildenden am 13. November 2008 einging, wies der Kläger die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurück, weil der Kündigung keine Vollmachts­urkunde beigefügt war. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Ausbil­dungs­ver­hält­nisses.

BAG weist Klage ab

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landes­a­r­beits­gericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts keinen Erfolg. Die Kündigung wurde gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt. Mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie war der Zugang der Kündigung bewirkt. Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem nicht entgegen. Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschafts­bereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten.

Zurückweisung der Kündigung erfolgte nicht unverzüglich

Die Kündigung scheiterte auch nicht an der fehlenden Vollmachts­urkunde. Die Zurückweisung einer Kündi­gungs­er­klärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB.

Auszug aus dem Gesetz

Erläuterungen
§ 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevoll­mäch­tigten

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevoll­mäch­tigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachts­urkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevoll­mäch­tigung in Kenntnis gesetzt hatte.

Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (pm/pt)

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