18.10.2024
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Dokument-Nr. 30946

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Bundesarbeitsgericht Urteil15.10.2021

Keine Diskriminierung von Teilzeit­beschäftigten durch die Regelung von Mehrarbeit und Überstunden im TVöD-KBundes­arbeits­gericht lehnt Revision ab

Das Bundes­arbeits­gericht hat die Revision einer Pflegekraft abgelehnt. Die beklagte Klinik­be­treiberin ist nicht verpflichtet entstehende Überstunden bei Wechselschicht- und Schichtarbeit zusätzlich mit Überstunden­zuschlägen zu vergüten. Sie werde hierbei nicht gegenüber Vollbe­schäf­tigten diskriminiert.

Die Klägerin ist seit 1999 bei der beklagten Klinik­be­treiberin als Pflegekraft in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit, die nach einem für den Monat geltenden Dienstplan erbracht wird. Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gelten die Regelungen eines Hausta­rif­ver­trages vom 19. Januar 2017, der seinerseits für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit den TVöD-K in seiner zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung in Bezug nimmt. Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbe­schäf­tigten zu überschreiten. Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt. Die Klägerin beansprucht darüber hinaus Überstunden-zuschläge auf der Grundlage der § 7 Abs. 8 Buchst. c, § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a TVöD-K. Sie meint, diese stünden ihr hinsichtlich der ungeplanten Arbeitsstunden auch dann zu, wenn sie ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreite. Bei den geplanten Arbeitsstunden komme es auf eine Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbe­schäf­tigten nicht an. Andernfalls werde sie als Teilzeit­be­schäftigte nach nationalem Recht und nach Unionsrecht gegenüber Vollbe­schäf­tigten diskriminiert.

Kein Anspruch auf Überstun­den­zu­schlag

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts keinen Erfolg. Wegen der Unwirksamkeit des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K ist für sie allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich. Diese Bestimmung sieht keine Zahlung von Überstun­den­zu­schlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbe­schäftigen überschritt, vor. Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 iVm. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TVöD-K vorgesehenen Überstun­den­zu­schlag hat sie deshalb nicht. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeit­be­schäf­tigten ist wirksam, weil für sie völlig unter­schiedliche Regelungs­systeme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gelten.

Abweichung des Tarifvertrags von Grundregel

Der Senat hält an seiner bisherigen, ausschließlich auf den nicht gezahlten Überstun­den­zu­schlag gerichteten Rechtsprechung ebenso wenig fest wie an dem in dieser Entscheidung sowie in der Entscheidung vom 25. April 2013 gefundenen Ausle­gungs­er­gebnis des Überstun­den­be­griffs des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit. Die danach erforderliche Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden weicht von der nach § 7 Abs. 7 TVöD-K geltenden Grundregel, nach der nur ungeplante zusätzliche Stunden Überstunden werden können, ab, ohne dass ein solcher Regelungswille der Tarif­ver­trags­parteien im Normtext ausreichend Niederschlag gefunden hat. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K kann auch kein anderer objektiver Normbefehl entnommen werden.

Verstoß der Sonderregelung gegen Gebot der Normklarheit

Die für den Dienst­leis­tungs­bereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeit­ge­ber­verbände maßgebliche Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD-K) enthält für den Freizeit­aus­gleich und die Vergütung von Stunden, die Teilzeit­be­schäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, ei-genständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbe­schäf­tigten unterscheiden, dass keine Vergleich­barkeit mehr gegeben ist. Mit dieser Differenzierung haben die Tarif­ver­trags­parteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestal­tungs­spielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminieren die für Teilzeit­be­schäftigte geltenden Regelungen diese nicht und sind wirksam. Die sowohl für Voll- als auch Teilzeit­be­schäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, verstößt jedoch gegen das Gebot der Normklarheit und ist deshalb unwirksam.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/aw)

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