21.11.2024
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Dokument-Nr. 32413

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Bundesarbeitsgericht Urteil30.11.2022

Bundes­arbeits­gericht: Mitarbeiter dürfen ins Ausland versetzt werdenWeisungsrecht nicht auf Deutschland begrenzt

Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeits­vertraglichen Direk­ti­o­ns­rechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist. § 106 GewO begrenzt das Weisungsrecht des Arbeitgebers insoweit nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliegt nach dieser Bestimmung allerdings einer Billigkeits­kontrolle. Das hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Der Kläger ist seit Januar 2018 bei der Beklagten bzw. deren Rechts­vor­gängerin - beides international tätige Luftver­kehrs­un­ter­nehmen mit Sitz im europäischen Ausland - als Pilot beschäftigt. Arbeits­ver­traglich war die Geltung irischen Rechts und ein Jahresgehalt von 75.325,00 Euro brutto vereinbart. Aufgrund eines von der Beklagten mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), deren Mitglied der Kläger ist, geschlossenen Vergü­tung­s­ta­rif­vertrags verdiente er zuletzt 11.726,22 Euro brutto monatlich. Stati­o­nie­rungsort des Klägers war der Flughafen Nürnberg. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der Kläger auch an anderen Orten stationiert werden könne. Aufgrund der Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben, versetzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2020 zum 30. April 2020 an ihre Homebase am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungs­kün­digung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm.

Kläger hält Versetzung für unwirksam

Der Kläger hält seine Versetzung nach Bologna für unwirksam und hat im Wesentlichen gemeint, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO erfasse nicht eine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig, weil ihm sein tariflicher Vergü­tungs­an­spruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche Nachteile entstünden. Dagegen hat die Beklagte gemeint, § 106 Satz 1 GewO lasse auch eine Versetzung ins Ausland zu, zumal als Alternative nur eine betrie­bs­be­dingte Beendi­gungs­kün­digung in Betracht gekommen wäre. Ihre Entscheidung wahre billiges Ermessen, es seien alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden, ein freier Arbeitsplatz an einem inländischen Stati­o­nie­rungsort sei nicht vorhanden gewesen. Zudem habe sie das mit der Gewerkschaft VC in einem „Tarifsozialplan bzgl. Stilllegung/Einschränkung von Stati­o­nie­rungsorten“ vorgesehene Verfahren eingehalten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat unter Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung die Berufung des Klägers zurückgewiesen und angenommen, die Versetzung des Klägers an die Homebase der Beklagten am Flughafen Bologna sei nach § 106 Satz 1 GewO wirksam.

Weisungsrecht umfasst auch Versetzung an ausländischen Arbeitsort

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem Bundes­a­r­beits­ge­richts ohne Erfolg. Soweit das Landes­a­r­beits­gericht die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung bejaht hat, sind hiergegen in der Revision von den Parteien keine Verfahrensrügen erhoben worden und revisible Rechtsfehler nicht ersichtlich. Ist - wie im Streitfall - arbeits­ver­traglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unter­neh­mensweite Verset­zungs­mög­lichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Versetzung nicht unbillig

Rechts­feh­lerfrei hat das Landes­a­r­beits­gericht auch angenommen, dass die Maßnahme billigem Ermessen entsprach und der Ausübungs­kon­trolle standhält. Die Versetzung ist Folge der unter­neh­me­rischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit ist die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Die Beklagte hat das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stati­o­nie­rungsort gab es nicht, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ war nicht möglich, eine Base-Präferenz hatte der Kläger nicht angegeben, alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten wurden an einen Standort in Italien versetzt. Die Weisung der Beklagten lässt den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeits­ver­tragliche Entgelt, unberührt. Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliert, liegt an dem von den Tarif­ver­trags­parteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergü­tung­s­ta­rif­vertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt ist. Zudem sieht der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stati­o­nie­rungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeits­be­din­gungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiter­be­schäftigt werden. Es ist auch nicht unbillig iSd. § 106 Satz 1 GewO, wenn die Beklagte mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleicht, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist. Weil die Versetzung des Klägers bereits aufgrund des Weisungsrechts der Beklagten wirksam war, kam es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungs­kün­digung nicht mehr an.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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