21.11.2024
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Dokument-Nr. 32777

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Bundesarbeitsgericht Urteil29.03.2023

Fristlose Kündigung und AnnahmeverzugFristlose Kündigung bei gleichzeitigem Weiter­beschäftigungs­angebot unwirksam

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeits­ver­hältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeits­verhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiter­be­schäf­tigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungs­schutz­prozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungs­angebot nicht ernst gemeint ist, entschied das Bundes­arbeits­gericht.

Der Kläger war bei der Beklagten als technischer Leiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 sprach die Beklagte eine fristlose Änderungs­kün­digung aus, mit der sie dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag als Softwa­re­ent­wickler gegen eine monatlich verminderte Vergütung anbot.. Der Kläger lehnte das Änderungs­angebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeits­ver­hältnis erneut und zwar „außerordentlich. Ferner wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außer­or­dent­lichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger „am 17.12.2019 spätestens um 12.00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Dem leistete der Kläger nicht Folge. In dem von ihm anhängig gemachten Kündi­gungs­schutz­prozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeits­ver­hältnis der Parteien nicht aufgelöst haben.

Vergütung wegen Annahmeverzugs geltend gemacht

Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam und erhob Klage, mit der er Vergütung wegen Annahmeverzugs auf Zahlung des arbeits­ver­traglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeits­lo­sen­geldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe trotz der unwirksamen Kündigungen der Beklagten keinen Anspruch auf Annah­me­ver­zugs­ver­gütung, weil er das Angebot der Beklagten, während des Kündi­gungs­schutz­pro­zesses bei ihr weiter­zu­a­r­beiten, nicht angenommen habe. Der Kläger sei deshalb nicht leistungswillig iSd. § 297 BGB gewesen.

Kündigung wegen wider­sprüch­lichen Verhaltens unwirksam

Die vom Bundes­a­r­beits­gericht nachträglich zugelassene Revision des Klägers war erfolgreich. Die Beklagte befand sich aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Weil die Beklagte selbst davon ausging, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten, spricht wegen ihres wider­sprüch­lichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozess­be­schäf­tigung unterbreitete. Die abweichende Beurteilung durch das Landes­a­r­beits­gericht beruht auf einer nur selektiven Berück­sich­tigung des Parteivortrags und ist schon deshalb nicht vertretbar. Darüber hinaus lässt die Ablehnung eines solchen „Angebots“ nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers iSd. § 297 BGB schließen. Es käme lediglich in Betracht, dass er sich nach § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Das schied im Streitfall jedoch aus, weil dem Kläger aufgrund der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozess­be­schäf­tigung bei der Beklagten nicht zuzumuten war.

Antrag auf vorläufige Weiter­be­schäf­tigung im Kündi­gungs­schutz­prozess unschädlich

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger im Kündi­gungs­schutz­prozess vorläufige Weiter­be­schäf­tigung beantragt hat. Dieser Antrag war auf die Prozess­be­schäf­tigung nach festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet. Nur wenn der Kläger in einem solchen Fall die Weiter­be­schäf­tigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten. Hier ging es indes um die Weiter­be­schäf­tigung in der Zeit bis zur erstin­sta­nz­lichen Entscheidung. Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhal­tens­be­dingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstin­sta­nz­lichem Obsiegen im Kündi­gungs­schutz­prozess gleichsam „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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