21.11.2024
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Dokument-Nr. 9271

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Bundesarbeitsgericht Urteil24.02.2010

BAG zur Fortgeltung einer dynamischen Verweisung auf Tarifverträge bei nicht tarifgebundenem Betrie­bs­er­werberArbeitgeber muss nach Betrie­bs­übergang nach dem im Arbeitsvertrag festgesetzten aktuellen Tarif vergüten

Ein Arbeitnehmer kann auch Rechte aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen geltend machen, die erst vereinbart wurden nachdem das Arbeits­ver­hältniss auf einen nicht tarifgebundenen neuen Arbeitgeber nach Betrie­bs­übernahme übergegangen ist. Dies entschied das Bundes­a­r­beits­gericht. vereinbart wurden

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin von der Beklagten Leistungen aus einem Tarifvertrag verlangt, an den die Beklagte nicht kraft Verbands­mit­glied­schaft tarifgebunden ist. Sie hat sich dafür auf eine Bezug­nah­me­klausel in ihrem Arbeitsvertrag bezogen, den sie 1998 für eine Tätigkeit als Maschi­nen­be­dienerin mit einem tarifgebundenen Unternehmen der Metallindustrie abgeschlossen hatte. Dort war auf „die Bestimmungen der gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung“ Bezug genommen worden. Im Jahre 2003 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des Betrie­bs­übergangs auf eine andere, ebenfalls tarifgebundene Gesellschaft über. Im November 2005 schloss die Klägerin mit dieser aus Anlass einer Arbeits­zeit­re­du­zierung eine „Vereinbarung zum bestehenden und fortgeltenden Arbeitsvertrag“, in der es auch heißt: „Die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieser Vereinbarung.“ Im Jahre 2006 ging das Arbeits­ver­hältnis durch einen weiteren Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte über.

Arbeitnehmerin steht Tarif­loh­n­er­höhung zu

Wie die Vorinstanzen hat auch das Bundes­a­r­beits­gericht angenommen, dass die Klägerin auch Rechte aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen geltend machen kann, die erst nach dem Übergang ihres Arbeits­ver­hält­nisses auf die nicht tarifgebundene Beklagte vereinbart wurden. Konkret ging es um Tarif­loh­n­er­hö­hungen und eine tarifliche Einmalzahlung, die im Jahre 2007 vereinbart worden und die der Klägerin in Höhe von rund 600,- € zuzuerkennen waren.

Hintergrund

Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass nach der früheren Rechtsprechung des Vierten Senats bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an arbeits­ver­traglich in Bezug genommene Tarifverträge Bezug­nah­me­klauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als so genannte Gleich­stel­lungs­a­breden auszulegen waren, deren - nicht ausdrücklich niedergelegter, aber durch Auslegung festgestellter - vertraglicher Zweck es allein war, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ebenso zu stellen wie die tarifgebundenen; ihnen gegenüber waren die betreffenden Tarifverträge ohnehin kraft Gesetzes anzuwenden. Dies führte bei einem Wegfall der Tarif­ge­bun­denheit auf Arbeit­ge­berseite dazu, dass die in das Arbeits­ver­hältnis einbezogenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Endes der Tarif­ge­bun­denheit anzuwenden waren. Diese Auslegungsregel legt der Senat aus Gründen des Vertrau­ens­schutzes auch weiterhin bei Bezug­nah­me­klauseln zu Grunde, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind („Altverträge”). Bei Arbeits­ver­trägen, die nach dem Inkrafttreten der Schuld­rechts­reform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen wurden („Neuverträge”), wendet der Senat die genannte Auslegungsregel nicht mehr an. Er versteht die Klausel nun, wenn keine Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden Vertragswillen bestehen, ihrem Wortlaut entsprechend als unbedingte zeitdynamische Verweisung.

Neuer Arbeitgeber tritt nach Betrie­bs­übergang in bestehenden Arbeitsvertrag ein

Im entschiedenen Rechtsstreit war die Verweisung im geänderten Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2005 als Verweisung in einem „Neuvertrag“ zu behandeln, weil sie in den damals gebildeten Vertragswillen der Arbeits­ver­trags­parteien neu aufgenommen worden ist, wie schon ihre Umformulierung gegenüber dem Ursprungs­vertrag zeigt. Die Verwei­sungs­klausel war deshalb entsprechend der neueren Senats­recht­sprechung ihrem Wortlaut entsprechend anzuwenden. Die Beklagte ist an sie gebunden, weil sie im Wege des Betrie­bs­übergangs in den mit diesem Inhalt bestehenden Arbeitsvertrag eingetreten ist. Sie hat deshalb die Klägerin auch trotz ihrer eigenen Tarifun­ge­bun­denheit aufgrund Arbeitsvertrags nach den einschlägigen Tarifverträgen der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweils aktuellen Fassung zu vergüten.

Quelle: ra-online, BAG

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