21.11.2024
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Urteil18.04.2007Bundesarbeitsgericht4 AZR 652/05
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Bundesarbeitsgericht Urteil18.04.2007

BAG nimmt Gleich­stel­lungs­abrede nur bei hinreichenden Anhaltspunkten anVertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung

Das Bundes­a­r­beits­gericht (BAG) hat seine Rechtsprechung zur arbeits­ver­trag­lichen Gleich­stel­lungs­abrede weiter entwickelt. Entgegen seiner früheren Ansicht, nimmt das BAG eine bloße Gleich­stel­lungs­abrede nur dann an, wenn es hierfür aus dem Vertrags­wortlaut und/oder den Beglei­t­um­ständen bei Vertragsschluss hinreichende Anhaltspunkte gibt.

Unter einer arbeits­recht­lichen Gleichstellungsabrede versteht man eine arbeits­ver­tragliche Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk (zB „die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst“), durch die lediglich erreicht wird, dass die nicht gewerk­schaftlich organisierten Arbeitnehmer ebenso behandelt werden wie Arbeitnehmer, auf welche wegen ihrer Mitgliedschaft in der tarif­schlie­ßenden Gewerkschaft die betreffenden Tarifverträge bereits tarifrechtlich (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG) angewendet werden müssen. Entfällt die tarifrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, neu abgeschlossene Tarifverträge gegenüber den organisierten Arbeitnehmern anzuwenden, zB weil er zuvor aus dem Arbeit­ge­ber­verband ausgetreten war, entfällt dann auch eine dahingehende vertragliche Verpflichtung gegenüber nicht organisierten Arbeitnehmern. Ob eine Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk „in der jeweils geltenden Fassung“ einen derart beschränkten Regelungsgehalt hat, die vereinbarte Dynamik also durch den Wegfall der Tarif­ge­bun­denheit des Arbeitgebers auflösend bedingt ist, muss durch Auslegung bestimmt werden.

Hierfür hat der Vierte Senat in seiner früheren Rechtsprechung die Auslegungsregel aufgestellt, von einer Gleich­stel­lungs­abrede sei in der Regel bereits dann auszugehen, wenn der von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellte Arbeitsvertrag – nach dem Wortlaut ausschließlich – auf die für ihn einschlägigen, von ihm also im Verhältnis zu organisierten Arbeitnehmern ohne weiteres anzuwendenden Tarifverträge verweist. Darauf, ob es für einen solche Regelungswillen Hinweise im Vertrags­wortlaut oder in Beglei­t­um­ständen bei Vertragsschluss gibt, sollte es nicht ankommen.

In seinem Urteil vom 14. Dezember 2005 (- 4 AZR 536/04 -) hat der Vierte Senat angekündigt, dass er an dieser Rechtsprechung zwar aus Gründen des Vertrau­ens­schutzes für Verträge festhält, die vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind, dass er aber beabsichtige, für die ab diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge („Neuverträge“) die genannte Auslegungsregel aufzugeben und eine bloße Gleich­stel­lungs­abrede nur dann anzunehmen, wenn es hierfür aus Vertrags­wortlaut und/oder Beglei­t­um­ständen bei Vertragsschluss hinreichende Anhaltspunkte gibt. In seinem Urteil vom heutigen Tag hat der Senat diese Ankündigung umgesetzt. In dem bereits länger andauernden Arbeits­ver­hältnis der Klägerin war im Mai 2002 ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden, der auf den einschlägigen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung verwies. Der Senat hat die Beklagte, die danach aus dem tarif­schlie­ßenden – 2 – Verband ausgetreten war, für verpflichtet gehalten, auch nach ihrem Austritt abgeschlossene Änderung­s­ta­rif­verträge gegenüber der Klägerin arbeits­ver­traglich anzuwenden. Es gab aus dem Vertrags­wortlaut und den Umständen bei Vertragsschluss keine Anhaltspunkte für einen Willen der Vertrags­parteien, dass es nur um eine Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern gehen sollte. Eine Anfrage bei anderen Senaten des Bundes­a­r­beits­ge­richts ist nicht erfolgt. Für Verträge, die nach dem 31. Dezember 2001 abgeschlossen worden sind, hat kein Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts die vom Vierten Senat früher aufgestellte und nun aufgegebene Auslegungsregel angewendet. Der Europäische Gerichtshof wurde auch nicht um eine Vorab­ent­scheidung ersucht. Der vorliegende Rechtsstreit hat keinen europa­recht­lichen Bezug.

Vorinstanz:

Landes­a­r­beits­gericht Niedersachsen, Urteil vom 28. Juli 2005 - 7 Sa 1867/04 -

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 25/07 des BAG vom 19.04.2007

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