21.11.2024
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Dokument-Nr. 5635

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Urteil20.02.2008Bundesarbeitsgericht4 AZR 64/07
Vorinstanz:
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil08.12.2006, 6 Sa 51/06
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil20.02.2008

BAG zur Wirksamkeit einer kurzfristigen Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeit­ge­ber­verband

Arbeit­ge­ber­verbände unterliegen in der Regel als eingetragene Vereine dem Vereinsrecht des BGB. Als Koalitionen sind sie aber zugleich auch Träger der kollektiven Koali­ti­o­ns­freiheit und als solche für die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Tarifautonomie mitver­ant­wortlich. Hieraus können sich im Einzelfall Grenzen für die Ausübung ihrer vereins­recht­lichen Befugnisse ergeben.

Das beklagte Univer­si­täts­kran­kenhaus war Mitglied eines Arbeit­ge­ber­ver­bandes, der im Jahre 2005 mit der Gewerkschaft ver.di über die Übernahme des TVöD verhandelte. Im Zuge dieser Verhandlungen verlangten die Krankenhäuser zusätzliche Sonder­re­ge­lungen für ihren Bereich. Um den Krankenhäusern für den Fall des Nicht­zu­stan­de­kommens solcher Sonder­re­ge­lungen entge­gen­zu­kommen, beschloss die Mitglie­der­ver­sammlung des Verbandes am 11. März 2005 eine vorübergehende Satzung­s­än­derung. Danach sollten die Mitglieder im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Übernahme des TVöD neben dem allgemeinen Austrittsrecht mit der Frist von drei Monaten ein besonderes Austrittsrecht haben, das ihnen ein Verlassen des Verbandes innerhalb von drei Tagen ermöglichte. Dieser Beschluss wurde nicht in das Vereinsregister eingetragen.

Der Arbeit­ge­ber­verband vereinbarte ebenfalls am 11. März 2005 mit ver.di einen Tarifvertrag „Einmalzahlung 2005“. Er sollte nicht für die Beschäftigten gelten, für die die damals beabsichtigte tarif­ver­tragliche Übernahme des TVöD nicht in Kraft treten würde. Der Tarifvertrag über die Übernahme des TVöD wurde dann ohne eine zusätzliche Sonderregelung für Krankenhäuser am 19. September 2005 abgeschlossen und trat verein­ba­rungsgemäß am 1. Oktober 2005 in Kraft. Zwischen­zeitlich, mit Schreiben vom 23. September 2005, erklärte die Beklagte unter Berufung auf das Sonderaustrittsrecht zum 29. September 2005 ihren Austritt aus dem Verband, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Unter dem 28. September 2005 bestätigte der Verband durch seinen einzel­ver­tre­tungs­be­fugten stell­ver­tre­tenden Vorsitzenden den Erhalt der Austritts­er­klärung „und nimmt sie hiermit an“. Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger, ver.di-Mitglied, hat mit seiner Klage die Einmalzahlung nach dem Tarifvertrag vom 11. März 2005 verlangt.

Anders als die Vorinstanzen hat das Bundes­a­r­beits­gericht seine Klage abgewiesen. Der Tarifvertrag „Einmalzahlung 2005“ gilt nicht für den Kläger. Der Tarifvertrag zur Übernahme des TVöD „ist“ für ihn nicht „in Kraft getreten“. Die Beklagte war bereits vor seinem Inkrafttreten nicht mehr Mitglied des tarif­schlie­ßenden Verbandes. Zwar bestand für sie kein satzungsmäßiges Sonderaustrittsrecht, weil der Beschluss hierüber ins Vereinsregister hätte eingetragen werden müssen. Es ist jedoch eine nach der Satzung des Arbeit­ge­ber­ver­bandes wirksame Vereinbarung über einen Verbands­austritt zum 29. September 2005 zustande gekommen. Diese Vereinbarung verstieß im vorliegenden Fall auch nicht gegen höherrangiges Recht. Kurzfristige Austritts­ver­ein­ba­rungen unter Beteiligung von Arbeit­ge­ber­ver­bänden können unwirksam sein, wenn sie die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Tarifautonomie nicht unerheblich beeinträchtigen. Hieran ist etwa zu denken, wenn mit Hilfe solcher Vereinbarungen die Grundlagen von Tarif­ver­hand­lungen gestört werden. Der vorliegende Fall war dafür indes kein Beispiel. Der Arbeit­ge­ber­verband hatte die Gewerkschaft ver.di schon im Frühjahr 2005 über den Beschluss seiner Mitglie­der­ver­sammlung zum Sonderaustrittsrecht unterrichtet. Es war aus den Tarif­ver­hand­lungen auch offensichtlich, dass es hier um eine Möglichkeit für die Krankenhäuser gehen sollte, sich einer Übernahme des TVöD ohne zusätzliche Sonder­re­ge­lungen für sie zu entziehen. Gleichwohl schloss ver.di im September 2005 den Übernah­me­ta­rif­vertrag so wie geschehen ab und vereinbarte nicht sein sofortiges, sondern erst ein Inkrafttreten rund zwei Wochen später.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 15/08 des BAG vom 20.02.2008

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