23.11.2024
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Dokument-Nr. 8089

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Urteil01.07.2009Bundesarbeitsgericht4 AZR 261/08
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil09.01.2009, 2 Sa 78/07
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil01.07.2009

BAG zur Nachbindung an einen TarifvertragAustritt aus tarif­ver­trags­schlie­ßenden Arbeit­ge­ber­verband lässt keine abweichenden vertraglichen Veränderungen vor Ablauf des Vertrages zu

Ein Arbeitgeber ist nach seinem Verbands­austritt an die vom Arbeit­ge­ber­verband geschlossen Tarifverträge kraft Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG bis zu deren Ende unmittelbar und zwingend gebunden. Anschließend wirken sie nach, „bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden“. Eine arbeits­ver­tragliche Vereinbarung, die untertarifliche Abreden enthält und bereits im Stadium der Nachbindung gelten soll, ist grundsätzlich bereits nach ihrem Regelungswillen keine „andere Abmachung“ im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG. Dies entschied das Bundes­a­r­beits­gericht.

Für das Arbeits­ver­hältnis des Klägers galt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der einschlägige Gemeinsame Mantel­ta­rif­vertrag der Metallindustrie (GMTV). Die Beklagte trat im September 2004 aus dem tarif­ver­trags­schlie­ßenden Arbeit­ge­ber­verband aus. Im Februar 2005 vereinbarte sie u.a. mit dem Kläger abweichend vom GMTV die stundenweise Anhebung der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Entgel­t­aus­gleich. Im Juli 2005 schlossen die Tarif­ver­trags­parteien des ungekündigten GMTV, ohne diesen zuvor gekündigt zu haben, einen neuen Mantel­ta­rif­vertrag (MTV), der ab dem 1. Januar 2006 gelten sollte. Die unmittelbare und zwingende Wirkung des MTV anstelle des GMTV ist ab dem betrieblichen Einfüh­rungs­stichtag des tariflichen Entgel­t­rah­me­n­ab­kommens (ERA) vorgesehen, spätestens aber zum 31. Dezember 2008. Das ERA konnte ab dem 1. Januar 2006 auf freiwilliger Basis eingeführt werden. Zum 1. Oktober 2007 schloss die Beklagte mit der IG Metall, die auch den GMTV und den MTV vereinbart hatte, einen Firmen­ta­rif­vertrag, der im Wesentlichen die zuvor einzel­ver­traglich vereinbarten Arbeits­be­din­gungen unterhalb des Niveaus des GMTV zum Gegenstand hat.

Sonder­ver­ein­barung keine die Nachwirkung beendende "andere Abmachung"

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Bundes­a­r­beits­gericht insoweit erfolglos, als sie sich gegen das vorinstanzlich erfolgreiche Begehren des Klägers richtete, trotz der vertraglichen Abrede vom Februar 2005 seien für ihn die Arbeits­zeit­re­ge­lungen des GMTV jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Firmen­ta­rif­vertrags maßgebend. Der GMTV galt nach dem Verbands­austritt der Beklagten bis zu dessen Beendigung für die Parteien unmittelbar und zwingend und verdrängte die arbeits­ver­tragliche Vereinbarung vom Februar 2005, die auch unter Berück­sich­tigung des darin vorgesehenen Schutzes gegen betrie­bs­be­dingte Kündigungen keine nach § 4 Abs. 3 TVG günstigere Abmachung war. Entgegen der Auffassung der Beklagten endete die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG weder mit dem auf den Verbands­austritt folgenden nächstmöglichen Kündi­gungs­termin des GMTV noch in Anlehnung an die Frist des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ein Jahr nach dem Ende der Verbands­mit­glied­schaft. Gegen die von § 3 Abs. 3 TVG ohne zeitliche Beschränkung angeordnete Nachbindung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der negativen Koali­ti­o­ns­freiheit keine durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Allerdings endete der GMTV im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG nicht erst mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Bereits ab dem 1. Januar 2006 galt der GMTV für die verband­s­an­ge­hörigen Arbeitgeber nicht mehr zwingend. Durch die mögliche Einführung des ERA konnten sie den GMTV ab diesem Zeitpunkt durch den MTV ablösen. Im Arbeits­ver­hältnis der Parteien wirkte damit ab dem 1. Januar 2006 der GMTV nach. Die Vereinbarung vom Februar 2005 war keine die Nachwirkung beendende andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG. Insoweit bestätigte der Vierte Senat seine ständige Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 20. Mai 2009 – 4 AZR 230/08 –).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 67/09 des BAG vom 01.07.2009

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