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- AuR 2013, 96Zeitschrift: Arbeit und Recht (AuR), Jahrgang: 2013, Seite: 96
- BB 2012, 3200Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2012, Seite: 3200
- MDR 2013, 231Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 231
- NJW 2013, 808Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 808
- NZA 2013, 91Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2013, Seite: 91
- Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil23.11.2010, 7 Sa 427/09
Bundesarbeitsgericht Urteil19.07.2012
BAG: Arbeitnehmer hat in Ausnahmefällen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus der PersonalakteVoraussetzung: Entstehung unzumutbarer beruflicher Nachteile und rechtliche Bedeutungslosigkeit der Abmahnung
Ein Arbeitnehmer hat nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Beseitigung einer zu Recht erteilten Abmahnung. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn die Aufbewahrung der Abmahnung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen und die Abmahnung rechtlich bedeutungslos ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.
In dem zu Grunde liegenden Fall wurde eine bei einem Landkreis angestellte Arbeitnehmerin im April 2008 wegen einer Pflichtverletzung abgemahnt. Später erhob sie Klage auf Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des Landkreises.
Berufungsurteil wurde aufgehoben
Das Bundesarbeitsgericht hob das Berufungsurteil auf und wies den Rechtstreit an das Landesarbeitsgericht Thüringen zurück. Denn das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht einen Rücknahmeanspruch der Arbeitnehmerin bejaht.
Fehlendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an einer zu Recht erteilten Abmahnung begründet Anspruch auf Entfernung
Einem Arbeitnehmer könne nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung gemäß §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB zustehen, wenn sie unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Bei einer zu Recht erteilten Abmahnung bestehe der Rücknahmeanspruch, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht. Dies setze aber voraus, dass eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte und die Abmahnung rechtlich bedeutungslos geworden ist.
Verlust der Warnfunktion einer Abmahnung bei längerem beanstandungslosem Verhalten
Aus Sicht der Richter könne eine Abmahnung ihre Wirkung verlieren, wenn sich der Arbeitnehmer längere Zeit beanstandungslos verhalten habe. Damit wird aber nur die Warnfunktion der Abmahnung berücksichtigt.
Arbeitgeber darf kein berechtigtes Interesse mehr haben
Das Bundesarbeitsgericht führte weiter aus, dass der Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aber mehr voraussetze, als der Verlust der Warnfunktion. Der Arbeitgeber dürfe zudem kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Die Abmahnung dürfe für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen und daher bedeutungslos geworden sein. Solange aber die Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung, Beförderung oder für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis sowie die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdenden Interessenabwägung von Bedeutung sein könne, sei dies nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht habe es unterlassen diese Voraussetzungen zu prüfen. Daher musste das Berufungsurteil aufgehoben werden.
Dauer des berechtigten Interesses einzelfallabhängig
Bis zu welcher Frist das berechtigte Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen ist, sei nach Ansicht des Gerichts je nach Einzelfall zu entscheiden. Eine fest bemessene Frist gebe es nicht. Maßgeblich sei insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Pflichtverstoß könne seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren als ein Fehlverhalten, welches das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.03.2013
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)
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