24.11.2024
24.11.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 15458

Drucken
Urteil19.07.2012Bundesarbeitsgericht2 AZR 782/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AuR 2013, 96Zeitschrift: Arbeit und Recht (AuR), Jahrgang: 2013, Seite: 96
  • BB 2012, 3200Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2012, Seite: 3200
  • MDR 2013, 231Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 231
  • NJW 2013, 808Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 808
  • NZA 2013, 91Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2013, Seite: 91
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil23.11.2010, 7 Sa 427/09
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil19.07.2012

BAG: Arbeitnehmer hat in Ausnahmefällen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus der PersonalakteVoraussetzung: Entstehung unzumutbarer beruflicher Nachteile und rechtliche Bedeu­tungs­lo­sigkeit der Abmahnung

Ein Arbeitnehmer hat nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Beseitigung einer zu Recht erteilten Abmahnung. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn die Aufbewahrung der Abmahnung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen und die Abmahnung rechtlich bedeutungslos ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

In dem zu Grunde liegenden Fall wurde eine bei einem Landkreis angestellte Arbeitnehmerin im April 2008 wegen einer Pflicht­ver­letzung abgemahnt. Später erhob sie Klage auf Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des Landkreises.

Berufungsurteil wurde aufgehoben

Das Bundes­a­r­beits­gericht hob das Berufungsurteil auf und wies den Rechtstreit an das Landes­a­r­beits­gericht Thüringen zurück. Denn das Landes­a­r­beits­gericht habe zu Unrecht einen Rücknah­mean­spruch der Arbeitnehmerin bejaht.

Fehlendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an einer zu Recht erteilten Abmahnung begründet Anspruch auf Entfernung

Einem Arbeitnehmer könne nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts grundsätzlich ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung gemäß §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB zustehen, wenn sie unbestimmt ist, unrichtige Tatsa­chen­be­haup­tungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit verletzt. Bei einer zu Recht erteilten Abmahnung bestehe der Rücknah­mean­spruch, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht. Dies setze aber voraus, dass eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte und die Abmahnung rechtlich bedeutungslos geworden ist.

Verlust der Warnfunktion einer Abmahnung bei längerem beanstan­dungslosem Verhalten

Aus Sicht der Richter könne eine Abmahnung ihre Wirkung verlieren, wenn sich der Arbeitnehmer längere Zeit beanstan­dungslos verhalten habe. Damit wird aber nur die Warnfunktion der Abmahnung berücksichtigt.

Arbeitgeber darf kein berechtigtes Interesse mehr haben

Das Bundes­a­r­beits­gericht führte weiter aus, dass der Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aber mehr voraussetze, als der Verlust der Warnfunktion. Der Arbeitgeber dürfe zudem kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflicht­ver­letzung haben. Die Abmahnung dürfe für die Durchführung des Arbeits­ver­hält­nisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen und daher bedeutungslos geworden sein. Solange aber die Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung, Beförderung oder für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis sowie die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdenden Inter­es­se­n­ab­wägung von Bedeutung sein könne, sei dies nicht der Fall. Das Landes­a­r­beits­gericht habe es unterlassen diese Voraussetzungen zu prüfen. Daher musste das Berufungsurteil aufgehoben werden.

Dauer des berechtigten Interesses einzel­fa­ll­ab­hängig

Bis zu welcher Frist das berechtigte Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen ist, sei nach Ansicht des Gerichts je nach Einzelfall zu entscheiden. Eine fest bemessene Frist gebe es nicht. Maßgeblich sei insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Pflichtverstoß könne seine Bedeutung für das Arbeits­ver­hältnis deutlich eher verlieren als ein Fehlverhalten, welches das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15458

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI