15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 24974

Drucken
Urteil02.03.2017Bundesarbeitsgericht2 AZR 698/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZA 2017, 1051Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2017, Seite: 1051
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Wuppertal, Urteil17.09.2014, 2 Ca 1117/14
  • , Urteil27.08.2015, 3 Sa 140/15
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil02.03.2017

BAG: Verletzung arbeits­vertraglicher Pflichten durch Lehrer aufgrund Anfassens des Gesäßes sowie Streicheln über den Rücken einer SchülerinBerührungen können fristlose Kündigung des Lehrers nach sich ziehen

Nimmt ein Lehrer eine Grundschülerin in den Arm und fasst dabei ihr Gesäß an und streichelt er einer Grundschülerin über den Rücken, so verletzt er damit seine arbeits­vertraglichen Pflichten. Dies kann unabhängig davon, ob die Berührungen als sexuelle Belästigung zu werten sind, eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2008 wurde ein Lehrer an einer Grundschule von mehreren Eltern mit dem Vorwurf konfrontiert mehrere Schülerinnen sexuell belästigt zu haben. Nachdem die Schulleitung umfassende Maßnahmen ergriff, um die Vorwürfe aufzuklären, standen zwei Vorfälle fest. So hatte der Lehrer eine Schülerin in den Arm genommen und dabei ihren Po angefasst. Zudem setzte er sich während eines Nachhil­fe­un­ter­richts neben einer Schülerin und begann ihren Schulterbereich und Rücken bis hinab zum Hosenbund oberhalb der Kleidung zu streicheln. Zwar rückte die Schülerin daraufhin mit ihrem Stuhl vom Lehrer ab, der Lehrer rückte jedoch nach und setzte sein Verhalten fort. Der Lehrer stritt jedwede sexuelle Betätigung ab und vermutete vielmehr ein Komplott gegen ihn. Nachdem gegen den Lehrer im Mai 2010 Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutz­be­fohlenen erhoben wurde, sprach die Grundschule eine fristlose Kündigung wegen des Verdachts sexueller Belästigungen mehrerer Schülerinnen aus. Dagegen erhob der Lehrer Kündi­gungs­schutzklage. Das Strafverfahren gegen den Lehrer wurde in der zweiten Instanz im Februar 2013 durch einen Freispruch beendet.

Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht wiesen Klage ab

Das Arbeitsgericht Wuppertal wies die Kündi­gungs­schutzklage im September 2014 ab. Die dagegen eingelegte Berufung blieb vor dem Landes­a­r­beits­gericht Düsseldorf erfolglos. Das Landes­a­r­beits­gericht nahm an, der Kläger sei aufgrund der elterlichen Beschwerden, der Strafanzeigen und den Anlastungen der Schülerinnen im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren zum Zeitpunkt der Kündigung dringend verdächtig gewesen, Schülerinnen sexuell belästigt zu haben. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.

Bundes­a­r­beits­gericht verneint rechtmäßige Verdachts­kün­digung

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied zu Gunsten des Klägers und hob daher die Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts auf. Mit der gewählten Begründung habe das Landes­a­r­beits­gericht die Verdachtskündigung nicht als wirksam erachten dürfen. Zwar könne sich eine hohe Wahrschein­lichkeit für ein vom Arbeitnehmer gezeigtes strafbares Verhalten oder eine sonstige erhebliche Pflicht­ver­letzung auch daraus ergeben, dass mehrere Zeugen übereinstimmend ein bestimmtes Verhalten schildern. Solche Aussagen können eine Verdachts­kün­digung rechtfertigen. Jedoch erfordere dies eine sorgfältige, mögliche Fehlerquellen umfassende berück­sich­tigende Ausein­an­der­setzung mit der Glaubhaftigkeit der jeweiligen Aussagen und der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Diese Prüfung habe das Landes­a­r­beits­gericht nicht vorgenommen.

Mögliche zulässige Tatkündigung

Das Bundes­a­r­beits­gericht wies den Rechtsstreit zur Nachholung der erforderlichen Prüfung an das Landes­a­r­beits­gericht zurück. Dabei wies es daraufhin, dass eine fristlose Kündigung auch aufgrund der nachgewiesenen Pflicht­ver­let­zungen im Sinne einer Tat gerechtfertigt sein könne. Die unstreitigen beiden Vorfälle stellen unabhängig davon, ob sie als sexuelle Belästigung zu werten seien, eine arbeits­ver­tragliche Pflicht­ver­letzung dar. Pädagogische Gründe für die Berührungen, etwa zur Tröstung der Schülerinnen, haben nicht vorgelegen. Das Landes­a­r­beits­gericht habe daher ebenfalls zu prüfen, ob eine fristlose Kündigung als Tatkündigung gerechtfertigt sei. Dabei sei insbesondere das Erfordernis einer Abmahnung zu prüfen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil24974

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI