18.10.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 25601

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Urteil29.06.2017Bundesarbeitsgericht2 AZR 47/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 2017, 2940Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2017, Seite: 2940
  • MDR 2018, 99Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2018, Seite: 99
  • NJW-Spezial 2018, 20Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 20
  • NZA 2017, 1605Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2017, Seite: 1605
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Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Gießen, Urteil18.07.2018, 10 Ca 289/13
  • Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil22.04.2015, 2 Sa 1305/14
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil29.06.2017

BAG: Androhung eines Suizids oder Amoklaufs im Rahmen eines betrieblichen Ein­gliederungs­managements kann fristlose Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigenAndrohung zwecks Durchsetzung eigener Interessen

Droht ein Arbeitnehmer im Rahmen eines betrieblichen Ein­gliederungs­managements ernstlich und im Zustand freier Willens­be­tä­tigung ein Suizid oder ein Amoklauf an, um damit eigene Interessen durchsetzen zu wollen, so kann dies seine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein in der Landes­bau­behörde Hessen als Straßenwärter beschäftigter Arbeitnehmer erkrankte mehrfach arbeitsunfähig. Hintergrund dessen waren Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen, die zu einer psychischen Belastung des Arbeitnehmers führten. Im August 2013 fand ein Gespräch im Rahmen des betrieblichen Einglie­de­rungs­ma­na­gement statt. Dabei wurde ihm offenbart, dass andere Beschäf­ti­gungs­mög­lich­keiten als Straßenwärter nicht bestünden und er deshalb weiterhin als Straßenwärter in einer Straßen­meisterei eingesetzt werden solle. Der Arbeitnehmer erwiderte daraufhin, nicht garantieren zu können erneut zu erkranken oder sich umbringen zu wollen oder Amok zu laufen. Er verwies in diesen Zusammenhang auf seine Mitgliedschaft im Schützenverein und darauf, dass er zum Glück noch nicht über einen Waffenschein verfüge. Der Arbeitnehmer distanzierte sich im Laufe des Gesprächs nicht von den Äußerungen. Das Land Hessen hielt die Äußerungen für nicht hinnehmbar und sprach daher im September 2013 die fristlose Kündigung aus. Dagegen erhob der Arbeitnehmer Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht weist Klage ab, Landes­a­r­beits­gericht gibt ihr statt

Während das Arbeitsgericht Gießen die Kündi­gungs­schutzklage abwies, gab ihr das Landes­a­r­beits­gericht Hessen statt. Es hielt die fristlose Kündigung für unwirksam und berief sich im Wesentlichen darauf, dass die Amokandrohung auf einem Augen­blick­versagen beruht habe und in der geschützten Situation eines betrieblichen Einglie­de­rungs­ma­na­gements getätigt worden sei. Gegen diese Entscheidung legte das beklagte Land Revision ein.

Bundes­a­r­beits­gericht hält ernstliche Amokandrohung für grundsätzlich kündi­gungs­re­levant

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied zu Gunsten des Landes und hob daher die Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts auf. Droht ein Arbeitnehmer im Rahmen eines betrieblichen Einglie­de­rungs­ma­na­gements ernstlich und im Zustand freier Willens­be­tä­tigung ein Suizid oder ein Amoklauf an, um damit eigene Interessen durchsetzen zu wollen, so könne dies nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts seine fristlose Kündigung rechtfertigen. Denn in einem solchen Verhalten liege eine massive Störung oder konkrete Gefährdung des Betrie­bs­friedens. Solche Äußerungen stellen eine schwerwiegende Verletzung vertraglicher Rücksicht­nah­me­pflichten dar.

Zurückweisung des Falls an das Landes­a­r­beits­gericht

Das Landes­a­r­beits­gericht habe die fristlose Kündigung mit der von ihm gegebenen Begründung nicht als unwirksam ansehen dürfen, so das Bundes­a­r­beits­gericht. So überzeugen die Ausführungen zum Augen­blick­versagen nicht, da nicht ersichtlich sei, auf welchen konkreten Umständen es ein solches Versagen annahm. Zudem sei es unzutreffend, dass betriebliche Einglie­de­rungs­ma­na­gement als eine besonders geschützte Situation zu werten. Die Teilnahme des Arbeitnehmers an einem betrieblichen Einglie­de­rungs­ma­na­gement sei kein Gesichtspunkt, der sein Bestands­schut­z­in­teresse generell steigere oder das Gewicht von Pflicht­ver­let­zungen der in Rede stehenden Art per se mindere. Die Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts sei daher aufzuheben und zur Neuentscheidung zurückzuweisen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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