15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 3875

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Urteil01.03.2007Bundesarbeitsgericht2 AZR 217/06
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil12.10.2005, 10 Sa 502/05
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil01.03.2007

Sonder­kün­di­gungs­schutz für schwer­be­hinderte MenschenAntrag muss mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt werden

Schwer­be­hinderte können sich nur auf den Sonder­kün­di­gungs­schutz berufen, wenn ihre Behinderung bereits offiziell anerkannt ist oder aber wenn ihr Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt worden ist. Das hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden.

Die Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses eines schwer­be­hin­derten Menschen ist nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integra­ti­o­nsamtes erfolgt. Vom Zustim­mungs­er­for­dernis erfasst werden jedoch nur Kündigungen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwer­be­hinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX). Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwer­be­hin­derten Menschen gleichgestellt sind. Auch sie sind vom Sonder­kün­di­gungs­schutz ausgeschlossen, wenn sie den Gleich­stel­lungs­antrag nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt haben. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht am heutigen Tage entschieden und damit einen seit längerem bestehenden Streit um die Auslegung des § 90 Abs. 2a SGB IX beendet. Die Vorschrift war ins Gesetz eingefügt worden, um einer missbräuch­lichen Erschwerung von Kündigungen zu begegnen.

Die Klägerin war seit 1995 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeits­ver­hältnis mit der Klägerin am 6. Dezember 2004, ohne zuvor die Zustimmung des Integra­ti­o­nsamtes eingeholt zu haben. Kurz zuvor am 3. Dezember 2004 hatte die Klägerin bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwer­be­hin­derten Menschen gestellt. Dem Antrag wurde im April 2005 rückwirkend zum 3. Dezember 2004 stattgegeben. Im Kündi­gungs­schutz­prozess machte die Klägerin geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie am 6. Dezember 2004 bereits (rückwirkend) gleichgestellt gewesen sei und somit den Sonder­kün­di­gungs­schutz nach § 85 SGB IX in Anspruch nehmen könne.

Die Klage blieb vor dem Zweiten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts erfolglos. Nach § 90 Abs. 2a SGB IX stand der Klägerin, obwohl sie bei Ausspruch der Kündigung einem schwer­be­hin­derten Menschen gleichgestellt war, kein Sonder­kün­di­gungs­schutz zu. Sie hat ihren Gleich­stel­lungs­antrag nicht mindestens drei Wochen, sondern nur drei Tage vor der Kündigung gestellt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 17/07 des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2007

der Leitsatz

1. Die Vorschrift des § 90 Abs. 2a SGB IX (juris: SGB 9) gilt nicht nur für schwer­be­hinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 68 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen.

2. Nach § 90 Abs. 2a 1. Alt. SGB IX findet der Sonder­kün­di­gungs­schutz für schwer­be­hinderte Menschen dann keine Anwendung, wenn die Schwer­be­hin­derung im Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist.

3. Trotz fehlenden Nachweises bleibt der Sonder­kün­di­gungs­schutz dagegen dann nach § 90 Abs. 2a 2. Alt. SGB IX bestehen, wenn das Fehlen des Nachweises nicht auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers beruht. Das Fehlen des Nachweises beruht nach dem Gesetz jedenfalls dann auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers, wenn er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt hat. § 90 Abs. 2a 2. Alt. SGB IX enthält insoweit die Bestimmung einer Vorfrist.

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