21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil15.10.1992

Durch mehrere Lohnpfändungen verursachte wesentliche Störung des Arbeitsablaufs und der betrieblichen Organisation berechtigt zur ordentlichen KündigungDurch Notlage verursachte Verschuldung kann bei bestehendem Vertrauens­verhältnis ebenfalls ordentliche Kündigung rechtfertigen

Wird ein Arbeitnehmer von mehreren Lohnpfändungen betroffen und führen diese aufgrund des Verwal­tungs­aufwands zu einer wesentlichen Störung des Arbeitsablaufs sowie der betrieblichen Organisation, so rechtfertigt dies die ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers. Das selbe kann bei einer durch eine Notlage verursachte Verschuldung des Arbeitnehmers gelten, wenn dieser in einer Vertrau­ens­stellung beschäftigt ist. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin war in der Zeit von Mai 1987 bis Juli 1989 von mehreren Lohnpfändungen sowie -abtretungen betroffen. Sie erhielt aufgrund dessen von ihrer Arbeitgeberin eine Abmahnung. Dennoch kam es im Juli 1990 zu einer weiteren Lohnpfändung. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis. Dagegen wehrte sich die Arbeitnehmerin mit einer Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht wies Kündi­gungs­schutzklage ab, Landes­a­r­beits­gericht gab ihr statt

Während das Arbeitsgericht die Kündi­gungs­schutzklage abwies, gab ihr das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein statt. Seiner Ansicht nach haben weder die mehreren Lohnpfändungen bzw. -abtretungen noch die Überschuldung der Arbeitnehmerin eine Kündigung gerechtfertigt. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Revision ein.

Bundes­a­r­beits­gericht verneinte Kündigung wegen mehrerer Lohnpfändungen

Das Bundes­a­r­beits­gericht führte zunächst aus, dass allein das Vorliegen von mehreren Lohnpfändungen bzw. -abtretungen noch keine Kündigung rechtfertigt. Etwas anderes könne erst gelten, wenn im Einzelfall zahlreiche Lohnpfändungen oder -abtretungen einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass dadurch eine wesentliche Störung des Arbeitsablaufs oder der betrieblichen Organisation verursacht wird. Durch die kosten- und arbeitsmäßige Belastung werden die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers berührt. Ein solcher Fall habe hier jedoch nicht vorgelegen. Denn eine konkrete Beein­träch­tigung des Arbeitsablaufs oder der betrieblichen Organisation sei nicht vorgetragen worden.

Keine vorherige Abmahnung erforderlich

Kommt es im Übrigen wegen der Lohnpfändungen zu einem größeren Verwal­tungs­aufwand, so sei nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts keine vorherige Abmahnung erforderlich. Denn bei der Lohnpfändung handele es sich um ein außer­dienst­liches Verhalten des Arbeitnehmers. Dies sei keiner Abmahnung des Arbeitgebers zugänglich.

Durch Notlage verursachte Verschuldung rechtfertigte ebenfalls keine Kündigung

Zwar könne eine durch eine Notlage verursachte Verschuldung eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, so das Bundes­a­r­beits­gericht. Dazu sei jedoch erforderlich, dass der Arbeitnehmer in einer Vertrauensstellung beschäftigt ist, die Verschuldung in relativ kurzer Zeit zu häufigen Lohnpfändungen führt und sich aus der Art und Höhe der Schulden ergibt, dass der Arbeitnehmer voraussichtlich noch für längere Zeit in ungeordneten wirtschaft­lichen Verhältnissen lebt. Die Vertrau­ens­stellung könne durch eine Verschuldung dadurch betroffen sein, dass der Arbeitnehmer in Versuchung geraten kann, sich auf Kosten des Arbeitgebers aus seiner finanziellen Lage zu befreien. Dabei sei es unerheblich, ob der Arbeitnehmer unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen des Arbeitgebers hat. Es genüge vielmehr, dass sich der Arbeitnehmer in unlauterer Weise zum Nachteil des Arbeitgebers bereichern könnte. So habe der Fall hier hingegen nicht gelegen. Die Arbeitnehmerin habe sich weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Firmenvermögen bereichern können.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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