18.10.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil20.09.2017

Mindestlohn gilt auch für Nachtzuschläge und FeiertageRückgriff des Arbeitgebers auf vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus

Die Höhe der Entgelt­fort­zahlung an Feiertagen bestimmt sich - soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergü­tungs­an­spruch besteht - nach § 2 EFZG i.V.m. § 1 MiLoG. Sieht ein Tarifvertrag einen Nacht­arbeits­zuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stunden­ver­dienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen. Dies entschied das Bundes­arbeits­gericht.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeits­ver­hältnis findet kraft Nachwirkung der Mantel­ta­rif­vertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektro­in­dustrie in der Fassung vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht u.a. einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des tatsächlichen Stunden­ver­dienstes und ein "Urlaubsentgelt" in Höhe des 1,5-fachen durch­schnitt­lichen Arbeits­ver­dienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stunden­ver­dienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine "Zulage nach MiLoG". Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nacht­a­r­beits­zu­schlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stunden­ver­gütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes "Urlaubsgeld" auf Mindest­lohn­ansprüche der Klägerin an.

Klägerin verlangt Vergütung auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns

Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feier­tags­stunden mit 8,50 Euro brutto und meinte, auch der Nacht­a­r­beits­zu­schlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht gaben der Klage statt.

Anrechnung des gezahlten "Urlaubsgeldes" auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Bundes­a­r­beits­gericht - abgesehen von einer geringen rechnerischen Differenz - ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgel­t­aus­fa­ll­prinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nacht­a­r­beits­zu­schlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des "tatsächlichen Stunden­ver­dienstes" im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten "Urlaubsgeldes" auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.

§ 2 Abs. 1 EFZG lautet:

Erläuterungen

Entgelt­fort­zahlung an Feiertagen

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.

§ 1 MiLoG (in der hier maßgeblichen Fassung) lautete auszugsweise:

Mindestlohn

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. [...]

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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