18.10.2024
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Bundesarbeitsgericht Beschluss29.06.2004

Permanente Video­über­wachung am Arbeitsplatz unzulässigDas Persön­lich­keitsrecht der Arbeitnehmer ist zu beachten

Der Spruch einer Einigungsstelle zur Einführung einer Video­über­wachung in einem Berliner Brief­ver­teil­zentrum der Deutschen Post AG ist unwirksam. Dies hat der Erste Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts entschieden.

In dem Briefzentrum sind in einer großen Halle in mehreren Schichten insgesamt etwa 650 Arbeitnehmer beschäftigt. Täglich werden ca. 2,5 - 3 Mio Briefsendungen umgeschlagen. Die Briefe werden weit überwiegend automatisch, zu einem kleinen Teil von Hand sortiert. Wie auch im Bereich anderer Zentren kommt es bei den über das Berliner Briefzentrum laufenden Sendungen zu Verlusten. Dabei ist nicht näher festgestellt, ob und in welchem Umfang diese im Briefzentrum selbst, auf dem Weg dorthin oder auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintreten. Zur Reduzierung der Verluste plante die Arbeitgeberin die Einführung einer Video­über­wachung. Da der Betriebsrat seine Zustimmung verweigerte, rief sie die Einigungsstelle an. Deren Spruch sieht die dauerhafte Einrichtung einer Video­über­wachung durch in der Halle sichtbar angebrachte Kameras vor. Die Videoanlage soll verdachts­u­n­ab­hängig wöchentlich bis zu 50 Stunden eingesetzt werden können. Für die Arbeitnehmer ist nicht erkennbar, wann die Anlage in Betrieb ist. Die Aufzeichnungen müssen in der Regel spätestens nach acht Wochen gelöscht werden.

Der Betriebsrat hat den Einigungs­stel­len­spruch gerichtlich angegriffen. Während die Vorinstanzen seinen Antrag abgewiesen haben, hatte er beim Bundes­a­r­beits­gericht Erfolg. Einerseits hat die Arbeitgeberin die Pflicht, für die Sicherheit des Briefverkehrs und des grundrechtlich geschützten Postge­heim­nisses zu sorgen. Andererseits wird durch die Video­über­wachung erheblich in das ebenfalls grundrechtlich geschützte Persön­lich­keitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen. Keiner dieser beiden Rechts­po­si­tionen gebührt absoluter Vorrang. Vielmehr ist eine auf die Umstände des jeweiligen Falles bezogene Abwägung erforderlich. Danach ist die dauerhafte, verdachts­u­n­ab­hängige Video­über­wachung der Belegschaft des Berliner Briefzentrums unter den vorliegenden Umständen unver­hält­nismäßig.

Hinweis auf die Vorinstanz: Landes­a­r­beits­gericht Berlin Beschluss vom 5. März 2003 - 10 TaBV 2089/02 -

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts

der Leitsatz

Die Einführung einer Video­über­wachung am Arbeitsplatz unterfällt dem Mitbe­stim­mungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Betrie­b­s­parteien haben dabei gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG das grundrechtlich geschützte allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Arbeitnehmer zu beachten. Für die erforderliche Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung sind die Gesamtumstände maßgeblich. Mitentscheidend ist insbesondere die Intensität des Eingriffs.

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