15.11.2024
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Dokument-Nr. 5541

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Urteil04.12.2007Arbeitsgericht Hamburg20 Ca 105/07
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Arbeitsgericht Hamburg Urteil04.12.2007

Entschä­di­gungs­zahlung nach dem Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­gesetz aufgrund unter­schied­licher Behandlung wegen Religion zugesprochen

Das Arbeitsgericht Hamburg hat eine Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Monats­ver­diensten verurteilt, weil sie eine Bewerberin im Einstel­lungs­ver­fahren wegen ihrer Religion benachteiligt hatte.

Der beklagte Arbeitgeber ist der für Hamburg zuständige Landesverband des Diakonischen Werkes und als solcher Teil der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche. Er hatte eine aus Mitteln des Bundes und der EU fremd­fi­nan­zierte Stelle für eine Sozialpädagogin/einen Sozialpädagogen in einem Teilprojekt „Integra­ti­o­nlotse Hamburg“ ausgeschrieben.

Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche als Voraussetzung

In der Stellenanzeige heißt es: „Dieses Projekt ist ein Schulungs- und Infor­ma­ti­o­ns­angebot für Multi­pli­ka­to­rinnen und Multiplikatoren im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen und Migranten“. Als diakonische Einrichtung setze er die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche voraus.

Auf diese Stellenanzeige bewarb sich die klagende Arbeitnehmerin. Sie ist Deutsche türkischer Herkunft und gehört keiner christlichen Kirche an. Auf Nachfrage des Arbeitgebers teilte die Arbeitnehmerin mit, sie sei gebürtige Muslimin, praktiziere aber keine Religion. Auf die Frage, ob sie sich den Eintritt in die Kirche vorstellen könne, teilte sie mit, sie halte dies nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen Bezug aufweise.

Der Arbeitgeber lehnte die Bewerberin ab. Die Arbeitnehmerin fühlt sich dadurch wegen ihrer Religion sowie mittelbar wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt und nimmt den Arbeitgeber auf Entschä­di­gungs­zahlung in Anspruch. Dies lehnt der Arbeitgeber ab und begründet dies damit, dass eine unter­schiedliche Behandlung wegen der Religion gemäß § 9 Abs. 1 AGG zulässig sei, weil die christliche Religion unter Beachtung seines Selbst­ver­ständ­nisses sowohl im Hinblick auf sein Selbst­be­stim­mungsrecht als auch nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung für die Mitarbeit im Diakonischen Werk darstelle.

Dieser Argumentation folgt die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg im Ergebnis nicht und führt in den Urteilsgründen in den Kernsätzen folgendes aus.

§ 9 Abs. 1 AGG sei richt­li­ni­en­konform (Artikel 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG vom 27.11.2000) auszulegen.

Bei richt­li­ni­en­kon­former Auslegung sei das Selbst­ver­ständnis einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft kein absoluter und abschließender Maßstab für eine unter­schiedliche Behandlung. Vielmehr dürfe für die konkrete Tätigkeit das Selbst­ver­ständnis der Kirche nur dann eine entscheidenden Rolle spielen, wenn diese dazu in einer direkten Beziehung stehe, was nicht für jegliche Tätigkeit bei der Kirche sondern nur für den sog. verkün­dungsnahen Bereich anzunehmen sei.

Das verfas­sungs­rechtlich garantierte kirchliche Selbst­be­stim­mungsrecht berechtige den kirchlichen Arbeitgeber nicht, die Einstellung für Tätigkeiten im verkün­dungs­fernen Bereich von der Kirchen­zu­ge­hö­rigkeit abhängig zu machen. Dem sei die ausgeschriebene Stelle zuzurechnen.

Kirchen­zu­ge­hö­rigkeit ist für die ausgeschriebene Stelle keine gerechtfertigte Anforderung

Auch nach Art der Tätigkeit sei für die Stelle die Kirchen­zu­ge­hö­rigkeit keine gerechtfertigte Anforderung. Die öffentlichen Auftritte bei Behörden, Verbänden etc., wie nach der Stelle­n­aus­schreibung vorgesehen, beträfen nicht den religiösen Hintergrund des Arbeitgebers, sondern unmittelbar das Projekt „Integra­ti­o­nslotse“. Dass und warum nur Personen mit Kirchen­zu­ge­hö­rigkeit das Projektziel verwirklichen könnten, habe der Arbeitgeber nicht ausreichend darlegen können.

Die Kammer führt weiter aus, dass sowohl die umfassende Fremd­fi­nan­zierung des Projektes „Integra­ti­o­nslotse“ als auch die dringende Empfehlung im Zuwen­dungs­be­scheid, keine den Bewerberkreis einschränkenden Vorgaben zu machen und die Auswahl der Mitarbeiter neutral durchzuführen, gegen die christliche Prägung der in Frage stehenden Stelle spreche.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des ArbG Hamburg vom 04.02.2008

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