Arbeitsgericht Berlin Urteil07.05.2025
Abmahnung eines Mitglieds der ver.di-Betriebsgruppe der Freien Universität unrechtmäßig
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Abmahnung gegenüber einem Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe bei der Freien Universität Berlin wegen deren Aufrufs im Internet für unrechtmäßig angesehen. In dem Aufruf wird der Universität vorgeworfen, sich tarifwidrig, mitbestimmungsfeindlich und antidemokratisch zu verhalten und dadurch den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD zu befördern.
Das klagende Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe stand bis zum 30. September 2024 in einem Arbeitsverhältnis zur beklagten Universität. Der Vorstand der Betriebsgruppe veröffentlichte Ende Januar 2024 auf deren Internetpräsenz einen Aufruf zur Teilnahme an einem Aktionstag unter anderem gegen die AfD. In dem Aufruf heißt es über die beklagte Universität, sie halte Tarifverträge nicht ein, gliedere Tätigkeiten unterer Lohngruppen mit einem hohen Anteil migrantischer Beschäftigter aus, bekämpfe Mitbestimmung und demokratische Prozesse, und gewerkschaftliche Organisierung sei ihr ein Dorn im Auge. Damit fördere die Universität den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD.
Die Arbeitgeberin erteilte dem Arbeitnehmer Anfang März 2024 eine Abmahnung und führte in dieser aus, in den zitierten Passagen liege eine ehrverletzende Kritik, die eine Verletzung der Treue- und Loyalitätspflicht im Arbeitsverhältnis darstelle.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Entfernung der Abmahnung stattgegeben. Zu Unrecht sei die beklagte Arbeitgeberin davon ausgegangen, in dem Beitrag aus Januar 2024 liege eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Abzuwägen seien dabei das Grundrecht auf Meinungsfreiheit einerseits und die Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin aus dem Arbeitsverhältnis andererseits. Der dem Betriebsgruppenmitglied in der Abmahnung vorgehaltene Beitrag enthalte zum Teil Behauptungen mit einem wahren Tatsachenkern, so zur Auszahlung tariflicher Entgeltbestandteile erst mit Verzögerung und zur Vergabe von Reinigungsaufträgen an externe Dienstleister, von denen eine hohe Anzahl migrantischer Beschäftigter betroffen sei. Im Übrigen handele es sich um Werturteile, die die Grenze zu einer vom Schutz der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz nicht gedeckten Schmähkritik nicht überschritten.
Schließlich stehe auch die zwischenzeitliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des klagenden Arbeitnehmers nicht entgegen. Denn es sei denkbar, dass dieser bei einem anderen Arbeitgeber im Bereich des öffentlichen Dienstes tätig werden wolle und dieser mit seinem Einverständnis Einblick in die Personalakte erhalte.
Hinweis
Das Arbeitsgericht hat damit anders entschieden als eine andere Kammer in einem Parallelfall (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 5. Dezember 2024, Aktenzeichen 58 Ca 4568/24). In dem Parallelfall ist Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auf den 2. Juli 2025 anberaumt (Aktenzeichen 23 SLa 94/25).
Gegen das Urteil hat die beklagte Arbeitgeberin Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt (Aktenzeichen 12 SLa 913/25). Ein Termin ist noch nicht festgesetzt worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.05.2025
Quelle: Arbeitsgericht Berlin, ra-online (pm/pt)