15.11.2024
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Arbeitsgericht Berlin Urteil17.06.2010

Mutter pflegt erkranktes Kind – Urlaubsanspruch verfällt nach Freistellung beim ArbeitgeberZur Vermeidung von zusätzlichen Vergü­tungs­nach­teilen sollte auf Arbeits­frei­stellung verzichtet werden

Eine Arbeitnehmerin, deren Kind während ihres Urlaubs krank und pflegebedürftig wird, hat keinen Anspruch auf eine Nachgewährung des Urlaubs für die Dauer der Arbeits­frei­stellung. Auch ein finanzieller Ausgleich steht der Arbeitnehmerin nicht zu. Dies entschied das Arbeitsgericht Berlin.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist seit dem 4. Februar 1998 als Verkäuferin beschäftigt. Sie beantragte Erholungsurlaub für die Zeit vom 16. November 2009 bis zum 21. November 2009, den der beklagte Arbeitgeber bewilligte.

Kind der Arbeitnehmerin erkrankt während des Urlaubs

Während ihres Urlaubs erkrankte das neunjährige Kind der Frau, welches sie betreuen musste. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vom 16. November 2009 legte sie ihrem Arbeitgeber vor.

Arbeitnehmerin verlangt nachträgliche Gewährung ihrer Urlaubstage

Im Anschluss beantragte die Frau Erholungsurlaub für die Zeit vom 23. Dezember 2009 bis 31. Dezember 2009, den der Arbeitgeber jedoch nicht bewilligte. Entgegen des Wunsches der Frau bestätigte der Arbeitgeber auch nicht, dass die sechs Tage Erholungsurlaub wegen der Erkrankung des Kindes noch nicht verbraucht seien. Darauf hin klagte die Frau und verlangte die Anerkennung des Anspruchs auf Gewährung von sechs Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2009.

Arbeitspflicht erlosch für den gesamten Urlaubszeitraum aufgrund der eingetretenen Erkrankung des Kindes

Die Klage blieb vor dem Arbeitsgericht Berlin jedoch erfolglos. Aufgrund der Erkrankung des Kindes der Klägerin vom 16. November 2009 bis zum 21. November 2009 und der daraus folgenden Arbeits­be­freiung gem. § 45 Abs. 3 S. 1 SGB V ist der auf diesen Zeitraum entfallende Urlaubsanspruch der Klägerin gem. §§ 243 Abs. 2, 275 Abs. 1 BGB erloschen. Der Arbeitgeber hatte der Frau auf Antrag 6 Tage Urlaub zu gewähren und ist dem unstreitig nachgekommen, indem er Urlaub für diesen Zeitraum bewilligte. Aufgrund der eingetretenen Erkrankung des Kindes erlosch jedoch unabhängig hiervon die Arbeitspflicht der Frau für den gesamten Urlaubszeitraum. Folge ist der ersatzlose Untergang des Urlaubs­an­spruches für die Dauer der Arbeits­frei­stellung.

Ausnahme besteht nur bei eigener krank­heits­be­dingter Arbeits­un­fä­higkeit

Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn die Verpflichtung zur Arbeitsleistung während des Urlaubes wegen eigener krank­heits­be­dingter Arbeits­un­fä­higkeit erlischt, also beim Arbeitnehmer tatsächliche Beein­träch­ti­gungen wie bei einer Krankheit vorliegen.

Schaden­s­er­satz­an­spruch für Arbeitnehmerin besteht nicht

Schaden­s­er­satz­an­spruch auf erneute Gewährung des untergegangenen Anspruches besteht ebenfalls nicht. Ein solcher kommt auch nach Ablauf des Urlaubs­zeit­raumes bei rechtzeitiger Geltendmachung seitens des Arbeitnehmers nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber unabhängig vom bereits bewilligten Urlaub aus anderen Gründen rechtlich verpflichtet war, den Arbeitnehmer bei Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei zu stellen und der Arbeitnehmer durch den ersatzlosen Wegfall des Urlaubs­an­spruches zuwider benachteiligt würde. Auf die Freistellung nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB V trifft dies aber nicht zu. Sie erfolgt bei gleichzeitigem Wegfall der Vergü­tungs­pflicht des Arbeitgebers, verfolgt also nicht den Zweck, den betreu­ungs­pflichtigen Elternteil eines erkrankten Kindes vor wegen der Betreuung eintretenden Vergü­tungs­einbußen zu schützen.

Arbeitnehmer muss Risiko urlaubs­s­tö­render Ereignisse tragen

Der Umstand, dass die Frau nunmehr den Nachteil erlitt, dass es trotz Wegfalles der Vergü­tungs­pflicht des Arbeitgebers zum Erlöschen des Urlaubs­an­spruches kam, zwingt nicht zu einer anderen Entscheidung. Das Risiko urlaubs­s­tö­render Ereignisse hat der Arbeitnehmer zu tragen. Die eingetretenen Vergü­tungs­einbußen hätte die Frau vorliegend vermieden, wenn sie für die Dauer des bereits bewilligten Urlaubes keine Arbeits­frei­stellung geltend gemacht hätte. Denn dann hätte der Klägerin für diesen Zeitraum Urlaubs­ver­gütung nach § 11 BUrlG zugestanden. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 SGB V die dort geregelten Ansprüche geltend zu machen.

Quelle: ra-online, (kg)

der Leitsatz

Ist es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich, dass eine Arbeitnehmerin während eines bereits bewilligten Erholungs­ur­laubes wegen der Pflege eines erkrankten Kindes der Arbeit fernbleibt, so kommt es gleichwohl zum Erlöschen des Urlaubs­an­spruches im Umfang seiner Bewilligung. § 9 BUrlG ist hierauf nicht entsprechend anzuwenden.

Da es nicht Zweck des § 45 SGB V ist, den Arbeitnehmer vor Vergü­tungs­einbußen wegen der Pflege eines erkrankten Kindes zu schützen, kommt in diesem Falle auch kein Schaden­s­er­satz­an­spruch auf Nachgewährung von Erholungsurlaub in Betracht. Will der Arbeitnehmer Nachteile bei der Vergütung vermeiden, so ist er in diesem Falle gehalten, von der Arbeits­frei­stellung nach § 45 SGB V keinen Gebrauch zu machen und das erkrankte Kind während des Urlaubs­zeit­raumes zu pflegen.

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