21.11.2024
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Amtsgericht Frankenthal Urteil26.06.2020

Fahrzeugtür-Unfall: Aussteigender darf von rückwärts Kommende nicht gefährden - Vorbeifahrender muss Sicher­heits­abstand einhaltenAmtsgericht entscheidet über Frage des Mindestabstands zu parkendem Kfz nach Kollision mit Fahrzeugtür

Wer aus einem Fahrzeug aussteigt, muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs mit höchster Vorsicht beachten, weshalb er den Verkehr durch die Rückspiegel und erfor­der­li­chenfalls durch die Fenster genau beobachten muss und die Wagentür nur öffnen darf, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts Kommenden gefährdet; einen Vertrau­ens­schutz zugunsten des Aussteigenden auf Einhaltung eines ausreichenden Sicherheits­abstandes des Vorbeifahrenden gibt es dabei nicht. Anhaltende oder parkende Fahrzeuge dürfen nur passiert werden, wenn dem Vorbeifahrenden die Einhaltung eines ausreichenden Seitenabstandes möglich ist. Welcher Seitenabstand als ausreichend angesehen werden kann, lässt sich nicht allgemein festlegen, sondern kann nach den Gegebenheiten an der Unfallstelle und den konkreten Umständen variieren. Ein Abstand von lediglich 30-35 cm ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände (Engstelle, entge­gen­kom­mender Verkehr o.ä.) aber jedenfalls zu gering und führt zu einem Mitverschulden des passierenden Verkehrs­teil­nehmers. Dies hat das Amtsgericht Frankenthal entschieden.

Die Parteien stritten um Schaden­s­er­satz­ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom Januar 2019. An diesem Tag befuhr der Beklagte zu 1) gegen 17.45 Uhr mit seinem Kfz die Wormser Straße in Frankenthal in Richtung Innenstadt. Am rechten Fahrbahnrand der Wormser Straße war das klägerische Kfz abgestellt. Als der Fahrer die Fahrertür des Klägerfahrzeugs öffnete, kam es zur Kollision mit dem in diesem Moment vorbeifahrenden Beklag­ten­fahrzeug. Dabei entstand am klägerischen Pkw ein Repara­tur­schaden in Höhe von 4.521,50 € (netto). Zuzüglich angefallener Gutachterkosten von 815,03 € und einer Ausla­gen­pau­schale von 25.- € beläuft sich der Gesamtschaden des Klägers auf 5.361,53 €. Zwischen den Parteien war u. a. die Frage streitig, wie weit der Fahrer der klägerischen Kfz dessen Tür geöffnet hatte und ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte.

Amtsgericht: Fahrer des klägerischen Kfz hat den Schaden durch Unachtsamkeit beim Ausstieg aus dem Fahrzeug überwiegend selbst verschuldet

Das Amtsgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme (Zeugen, Sachver­ständiger) dem Kläger 1/3 des Gesamtschadens zugesprochen. Denn der Fahrer des klägerischen Kfz hat den Schaden durch Unachtsamkeit beim Ausstieg aus dem Fahrzeug überwiegend selbst verschuldet.

Beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug dürfen andere Verkehrs­teil­nehmer nicht gefährdet werden

Nach § 14 Abs. 1 StVO muss sich jeder Verkehrs­teil­nehmer beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrs­teil­nehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten, weshalb er den Verkehr durch die Rückspiegel und erfor­der­li­chenfalls durch die Fenster genau beobachten muss und die Wagentür nur öffnen darf, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen wurde das Verhalten des Fahrers nicht gerecht, was als Ergebnis der Beweisaufnahme, d.h. der Vernehmung des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs und der Feststellungen des Sachver­ständigen, zur Überzeugung des Gerichts feststeht.

Ausreichender Seitenabstand ist beim Vorbeifahren einzuhalten

Der Beklagte zu 1) hat den Unfall jedoch mitverursacht, indem er an dem Klägerfahrzeug unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO ohne ausreichenden Seitenabstand vorbeigefahren ist und damit nicht nur völlig untergeordnet zur Entstehung des Zusammenpralls beigetragen hat. Nach der zitierten Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO darf nur überholt werden, wenn ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrs­teil­nehmern (§ 5 Abs. 4 Satz 2 StVO) einzuhalten und eine Behinderung (§ 5 Abs. 4 Satz 4 StVO), Gefährdung oder gar Schädigung (§ 1 Abs. 2 StVO) des Überholten vermieden werden kann. Gleiches gilt für das Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen. Hiergegen hat der Beklagte zu 1) verstoßen, indem er den klägerischen Pkw mit einem deutlich zu geringen Seitenabstand von lediglich 30-35 Zentimetern passiert hat, was ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts als Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht.

Zwar haben somit beide Fahrer, von deren Fahrzeugen eine vergleichbare Betriebsgefahr ausgeht, den Unfall schuldhaft herbeigeführt. Der Verstoß des Fahrers des klägerischen Kfz wiegt jedoch schwerer, da er entgegen der besonderen Sorgfalts­pflicht des § 14 Abs. 1 StVO die Gefah­ren­si­tuation erst herauf­be­schworen hat und es bei regelkonformem Verhalten gar nicht zum Unfall hätte kommen können. Demgegenüber hat der Beklagte zu 1) lediglich das Fehlverhalten des Fahrzeugführers nicht in angemessener Weise antizipiert und einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten, was nach Ansicht des Gerichts im Ergebnis eine Haftungs­ver­teilung im Verhältnis 1/3 : 2/3 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt erscheinen lässt.

Quelle: Amtsgericht Frankenthal, ra-online (pm/pt)

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