Amtsgericht Wiesbaden Urteil27.07.2012
Ablehnung eines Dolmetschers für nicht deutschsprachigen Wohnungseigentümer während Eigentümerversammlung kann zur Unwirksamkeit sämtlicher getroffener Beschlüsse führenAnfechtbarkeit der Beschlüsse aufgrund fehlender Möglichkeit der Einflussnahme
Bedarf ein nicht der deutschen Sprache mächtiger Wohnungseigentümer einen Dolmetscher und wird ihm dieser während einer Eigentümerversammlung verweigert, so werden die in der Versammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar. Denn dem faktisch ausgeschlossenen Wohnungseigentümer wurde die Einflussnahme auf die Willensbildung genommen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Während einer Eigentümerversammlung im Dezember 2010 beantragte eine spanische Wohnungseigentümerin, ihren Lebensgefährten als Dolmetscher zuzulassen. Sie sah sich aufgrund ihrer mangelhaften Deutschkenntnisse nicht in der Lage an der Versammlung ohne Dolmetscher teilzunehmen. Der Antrag wurde jedoch von der Mehrheit der Wohnungseigentümer abgelehnt. Die Wohnungseigentümerin klagte aufgrund dessen gegen alle in der Eigentümerversammlung getroffenen Beschlüsse.
Anspruch auf Hinzuziehung eines Dolmetschers bestand
Das Amtsgericht Wiesbaden führte zunächst aus, dass der Wohnungseigentümerin einen Anspruch auf Hinzuziehung ihres Lebensgefährten als Dolmetscher zugestanden habe. Dies habe insbesondere im Hinblick darauf gegolten, dass während einer Eigentümerversammlung nicht alltägliche Dinge besprochen werden.
Ausschluss des Dolmetschers führte zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse
Nach Ansicht des Amtsgerichts sei der unzulässige Ausschluss des Dolmetschers mit dem unberechtigten Ausschluss eines Vertreters vergleichbar gewesen. Wird aber ein ordnungsgemäß bevollmächtigter Vertreter vom Versammlungsleiter zu Unrecht zurückgewiesen, so seien die in der Versammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar. Zwar sei es richtig, dass die Stimme der Wohnungseigentümerin keinen Einfluss auf die Beschlüsse gehabt hätte. Jedoch hätte die Wohnungseigentümerin durch ihren Beitrag Einfluss auf die Willensbildung nehmen können, so dass die Beschlüsse unter Umständen nicht so oder gar nicht gefasst worden wären.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.10.2014
Quelle: Amtsgericht Wiesbaden, ra-online (vt/rb)