Die Angeklagten hatten in den Jahren 2003 und 2004 für den Musiksender MTV eine Fernsehsendung namens Mission MTV produziert, welche dem System der „versteckten Kamera“ ähnelt. Der 29jährige Angeklagte Tewaag war zugleich Moderator und Darsteller, die übrigen Angeklagten Kameraleute, Aufnahmeleiter und Darsteller.
Die Beteiligten haben durch ihre Aktionen bewusst Notrufe und Polizeieinsätze provoziert und damit das Rettungssystem missbraucht. So rief die Pförtnerin einer Berliner Nervenklinik beispielsweise die Polizei herbei als Tewaag ihr erklärt hatte, er habe einen „verrückten“ Mann im Kofferraum seines Fahrzeugs eingeschlossen. Im Kofferraum befand sich tatsächlich eine in das Geschehen eingeweihte Person. Mehrere Polizeibeamte wurden in dem Glauben, es liege wirklich ein Notfall vor, eingesetzt.
Als Beamte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) verkleidet, nahmen der Angeklagte Tewaag und weitere Personen außerdem kurzzeitig mehrere Personen fest und fesselten sie. Das Geschehen wurde gefilmt.
Die vorsitzende Richterin des Schöffengerichts betonte, es habe sich bei den Taten entgegen der Behauptung der Angeklagten keinesfalls um einfache Späße gehandelt. Auch sei die Polizei nicht vorab informiert gewesen. Das Absetzen eines Notrufs durch die Opfer sei in den geschilderten Situationen für jeden zwingend gewesen. Der Gesetzgeber wolle durch die Straftatbestände der Amtsanmaßung (§ 132 Strafgesetzbuch) und des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und Abzeichen (§ 132 a Strafgesetzbuch) das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei und die Autorität staatlicher Stellen schützen.
Der Tatbestand des Missbrauchs von Notrufen (§ 145 Strafgesetzbuch) solle unnötige Vergeudung von Ressourcen in der Hilfeleistung verhindern. Durch Missbrauch besetzte oder überlastete Notrufeinrichtungen seien für wirklich in Not befindliche Menschen nicht mehr oder nicht schnellstmöglich zu erreichen. Dies gilt auch für die Folgen solcher Notrufe, nämlich den unnötigen Einsatz von Helfern. Dies schränke daher die von den Angeklagten geltend gemachte Kunstfreiheit des Grundgesetzes ein. Aus diesem Grund sei es auch unerheblich, ob die Opfer nach Aufklärung der Situation dies nicht übel genommen hätten.
Andere Fälle – beispielsweise die Bitte Tewaags vor der Justizvollzugsanstalt, ihm die Handschellen abzunehmen – wertete das Gericht hingegen nicht als Straftat. Dort hätten die Angeklagten darauf geachtet, dass niemand die Polizei rief, sondern den Sachverhalt aufgeklärt, bevor es dazu kommen konnte. Insoweit erfolgten Freisprüche.
Zur Strafhöhe sagte die vorsitzende Richterin, Geldstrafen seien angemessen. Dies gelte auch für den Angeklagten Tewaag, obwohl er bereits unter einer laufenden Bewährung stehe. Immerhin sei kein Mensch durch die Taten zu Schaden gekommen. Außerdem handele es sich nicht um eine einschlägige Vorstrafe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 33/05 vom Kammergericht Berlin