15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Amtsgericht München Urteil04.09.2012

Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherer darf Schadens­re­gu­lierung auch ohne Einwilligung des Versicherten vornehmenRücksicht­nah­me­pflicht der Versicherung nur bei Durchführung völlig unsachgemäßer Schadens­re­gu­lierung verletzt

Ein Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherer ist berechtigt, einen Schaden­er­satz­an­spruch, der sich gegen einen bei ihm Versicherten richtet, auch ohne dessen Einwilligung zu erfüllen. Dies gilt auch, wenn ein Schaden­frei­heits­rabatt auf dem Spiel steht. Das Versi­che­rungs­un­ter­nehmen muss sich dabei ein umfassendes Bild über die Umstände verschaffen. Es verletzt seine Rücksicht­nah­me­pflicht nur, wenn es eine völlig unsachgemäße Schadens­re­gu­lierung durchführt. Dies entschied das Amtsgericht München.

Im zugrunde liegenden Streitfall kam es im Mai 2011 in München zu einem Auffahrunfall. Der Geschädigte wandte sich an die Versicherung desjenigen, der ihm aufgefahren war und bat um Regulierung des Schadens. Nach eingehender Prüfung des Vorgangs zahlte die Versicherung schließlich den Schaden und stufte den Versi­che­rungs­nehmer von Schadensklasse 35 auf Schadensklasse 50 hoch. Dieser musste daher 170 Euro mehr im Jahr bezahlen.

Versicherter klagt auf Rückstufung in bisherige Schadenklasse und Erstattung der erhöhten Beiträge

Dagegen wandte sich der Versicherte. Er war der Meinung, die Versicherung hätte nicht bezahlen dürfen. Die Kratzer an der Stoßstange des anderen Wagens würden nicht von ihm stammen, sondern seien bereits vorhanden gewesen. Ein Schaden­er­satz­an­spruch hätte daher nicht bestanden. Der Versicherte klagte daher vor dem Amtsgericht München auf Rückstufung in die Schadenklasse 35 und auf Erstattung der erhöhten Beiträge.

Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherer war bevollmächtigt Schaden zu regulieren

Die zuständige Richterin beim Amtsgericht wies die Klage jedoch ab. Grundsätzlich sei der Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherer durch die Regulie­rungs­vollmacht dazu bevollmächtigt, gegen den Versi­che­rungs­nehmer geltend gemachte Ansprüche in dessen Namen zu erfüllen oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben. Dabei sei er nicht gehalten, eine Regulierung nur deshalb zu verweigern, weil sein Versi­che­rungs­nehmer eine Schaden­s­er­satz­pflicht von vornherein ablehne. Im Rahmen seiner Pflicht aus dem Versi­che­rungs­vertrag habe der Haftpflichtversicherer nach Eintritt des Versi­che­rungsfalls begründete Schadens­ansprüche zu befriedigen und unbegründete abzuwehren. Ob er freiwillig zahle, oder ob er die Zahlung ablehne und es darauf ankommen lasse, ob der geschädigte Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend mache, stehe grundsätzlich im Ermessen des Versicherers.

Bei Änderungen des Schadens­frei­heits­rabatts muss Versicherung Rücksicht auf Interessen des Versicherers nehmen

Diesem Ermessen seien lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versi­che­rungs­nehmers berührt werden und wo diese deshalb die Rücksichtnahme des Versicherers verlangten. Dies gelte beispielsweise dann, wenn ein Schadens­frei­heits­rabatt des Versicherten auf dem Spiel stehe.

Versicherer verletzt Rücksicht­nah­me­pflicht nur bei Durchführung völlig unsachgemäßer Schadens­re­gu­lie­rungen

Im Rahmen seiner Pflichten sei der Versicherer dann jedenfalls gehalten, sich ein hinreichend genaues, umfassendes Bild über die Umstände zu verschaffen, aus denen die drohenden Ansprüche hergeleitet werden, die Rechtslage sorgfältig zu prüfen und die Aussichten für eine Abwehr der Ansprüche nach Grund und Höhe möglichst zuverlässig einzuschätzen. Der Versicherer verletze die sich aus dem Versi­che­rungs­vertrag ergebende Rücksicht­nah­me­pflicht nur dann, wenn er eine völlig unsachgemäße Schadens­re­gu­lierung durchführe. Dabei stehe dem Versicherer vor allem und gerade bei zweifelhafter Sach- oder Rechtslage ein gewisser Ermes­sens­spielraum zu. Schädlich sei nur ein offen­sicht­licher Ermes­sens­miss­brauch.

Versicherer darf bei Schadens­re­gu­lierung in Anbetracht der Schadenshöhe wirtschaftliche Erwägungen anstellen

Es komme bei der Frage, ob der Versicherer sein Regulie­rungs­er­messen zutreffend ausgeübt habe, nicht darauf an, ob sich tatsächlich der Unfall mit dem Fahrzeug des Versi­che­rungs­nehmers so wie vom Unfallgegner behauptet ereignet habe. Der Versicherer dürfe auch dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie Vorrang geben und in Anbetracht der Schadenshöhe wirtschaftliche Erwägungen anstellen. Zudem müsse sich der Versicherer nicht auf einen Prozess mit ungewissem Ausgang einlassen. Demnach habe der Versicherer sein Ermessen nur dann offensichtlich falsch ausgeübt, wenn es von vornherein als völlig unvernünftig angesehen werden musste, dass er dem Dritten Ersatz leiste.

Schadens­re­gu­lierung war aus Sicht der Versicherung nach Beweislage nicht völlig unangemessen

Hier könne eine Pflicht­ver­letzung der Versicherung mangels fehlerhafter Ermes­sens­ausübung nicht festgestellt werden. Die Versicherung habe sich mit der Schadens­re­gu­lierung gut fünf Monate Zeit gelassen. Die Sachver­halts­auf­klärung habe ergeben, dass der Versicherte mit seinem Kraftfahrzeug hinter demjenigen des Geschädigten fuhr und so stark bremsen musste, dass das ABS seines Kraftfahrzeugs ansprang. Auch habe die polizeiliche Untersuchung ergeben, dass sich an beiden Fahrzeugen in gleicher Höhe Kratzer befanden. Es sei daher aus Sicht der Versicherung nicht völlig unangemessen erschienen, eine Schadens­re­gu­lierung durchzuführen; auch könne man der Versicherung nicht vorwerfen, dass sie kein teures Sachver­stän­di­gen­gut­achten angefordert habe. Schließlich sei die Schadenshöhe mit 1.285 Euro relativ niedrig gewesen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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