18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Amtsgericht München Urteil24.04.2012

Schaden­er­satz­an­spruch nach Verkehrsunfall umfasst auch fiktive Lohnnebenkosten und SozialabgabenVon einem Kfz-Sachver­ständigen ermittelten voraus­sicht­lichen Reparaturkosten sind vollumfänglich erstat­tungsfähig

Hat jemand nach einem Verkehrsunfall die fiktiven Kosten zu ersetzen, die bei einer Reparatur anfallen würden, umfasst der Schaden­er­satz­an­spruch auch die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben, auch wenn diese tatsächlich nicht anfallen. Dies entschied das Amtsgericht München.

Im zugrunde liegenden Streitfall kam es Ende April 2011 in München zu einem Verkehrsunfall. Der geschädigte Autofahrer ließ seinen Mercedes begutachten. Der Sachverständige bezifferte die Kosten für eine sach- und fachgerechte Reparatur auf netto 16.512 Euro einschließlich eines Betrages für Lohnkosten von 7.688 Euro.

Unfallgegner verweigert Zahlung der fiktiven Lohnnebenkosten und Sozialabgaben

Diese Kosten machte der Autobesitzer von seinem Unfallgegner geltend. Dieser zahlte allerdings nur 15.743 Euro. Mehr schulde er nicht. Schließlich sei das Auto nicht tatsächlich repariert worden, die Lohnnebenkosten und Sozialabgaben daher nicht angefallen. Ein Abschlag von 10 Prozent sei daher auf jeden Fall gerechtfertigt.

Kläger hat Anspruch auf Erstattung sämtlicher Reparaturkosten

Der Geschädigte wandte sich an das Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab dem Autofahrer Recht. Der Kläger habe einen Anspruch auf die Erstattung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 769 Euro. Die von dem Kfz-Sachver­ständigen ermittelten voraus­sicht­lichen Reparaturkosten von netto 16.512 EUR seien vollumfänglich erstat­tungsfähig. Der Beklagte sei nicht berechtigt, auf die enthaltenen geschätzten Lohnkosten von netto 7.688 Euro einen Abschlag von 10 Prozent vorzunehmen.

Unmittelbarer Sachschaden darf fiktiv abgerechnet werden

Ein Geschädigter könne den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung des früheren Zustandes des Pkws erforderlich sei. Er sei damit grundsätzlich berechtigt, seinen unmittelbaren Sachschaden fiktiv abzurechnen und mithin die Kosten, die bei einer sach- und fachgerechte Reparatur der beschädigten Sache üblicherweise anfallen würden, geltend zu machen. Diese Kosten setzten sich aus einer Fülle von Positionen zusammen. Zu ihnen würden nicht nur die Einkaufspreise für die Ersatzteile und Verbrauchs­ma­te­rialien sowie die Nettolohnkosten für die Mechaniker, Lackierer und Elektroniker gehören, sondern auch die Anteile an den allgemeinen Anschaffungs- und Betriebskosten (z. B. Darlehenszinsen, Mietzinsen, Stromgebühren, Öl- oder Gasgebühren, Wasser- und Abwas­ser­ge­bühren, Müllgebühren, Versi­che­rungs­beiträge, Lohnkosten für Geschäfts­leitung, Sekretariat, Buchhaltung, Steuerberatung, Hausmeister- und Reini­gungs­dienst, Kaufpreise für Werkstatt- und Büroausstattung), der Gewinn sowie die Steuern (z. B. Lohnsteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Mineralölsteuer) und Abgaben (z. B. Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge). Eine Unterscheidung, ob diese Faktoren auch wert- oder nur preisbildend sind, werde dabei grundsätzlich nicht vorgenommen.

Umsatzsteuer nur bei tatsächlicher Reparatur erstat­tungsfähig

Eine Ausnahme enthalte das Bürgerliche Gesetzbuch lediglich für die Position der Umsatzsteuer. Diese sei nur erstat­tungsfähig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sei, da der Geschädigte zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser als ohne das schädigende Ereignis gestellt werden solle.

Keine gesetzlichen Einschränkungen bei Lohnnebenkosten und Sozialabgaben

Für die vorliegenden Positionen der Lohnnebenkosten und Sozialabgaben mache das Gesetz eine solche Einschränkung dagegen gerade nicht. Dies beruhe auf dem Umstand, dass die Umsatzsteuer zum einen den größten Faktor der durchlaufenden Kosten darstelle, zum anderen auch auf dem Gedanken, dass deren Ausnahme anders als die Ausnahme anderer durchlaufender Kosten handhabbar sei. Andere Positionen könnten nicht ohne weiteres ermittelt und beziffert werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Übergang von auch wert- zu nur preisbildenden Faktoren fließend sei. Nicht jede Position sei so klar zu zuordnen wie die Umsatzsteuer. Ebenso würden die betrie­bs­wirt­schaft­lichen Kalku­la­ti­o­ns­grundlagen der voraus­sicht­lichen Reparaturkosten weder in einem bei einer Kfz-Fachwerkstatt eingeholten Kosten­vor­an­schlag noch in einem von einem Kfz-Sachver­ständigen erstatteten Schadens­gut­achten (vollständig) offengelegt. Von den durchlaufenden Positionen werde lediglich die Umsatzsteuer als solche ausgewiesen und beziffert.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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