18.10.2024
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Dokument-Nr. 31144

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Amtsgericht München Urteil20.05.2021

Corona ist keine Natur­ka­ta­s­tropheReise­ver­si­cherung haftet nicht für Kosten eines Ersatzfluges bei coronabedingter Flugan­nul­lierung

Eine Reise­abbruchs­versicherung haftet bei coronabedingter Annullierung eines gebuchten Fluges nicht für die Kosten eines Ersatzfluges. Das Amtsgericht München wies die Klage gegen einen bei München ansässigen Reise­ver­si­cherer auf Zahlung von 3.610 € ab.

Der Kläger schloss bei der Beklagten am 27.01.2020 eine Reise­rück­tritts­ver­si­cherung ab, die auch eine Reiseab­bruchs­ver­si­cherung beinhaltete. Nach den Versi­che­rungs­be­din­gungen gewährt die Beklagte Versi­che­rungs­schutz für die Mehrkosten einer nicht planmäßigen Rückreise, wenn am Urlaubsort eine Naturkatastrophe herrscht. Der Kläger buchte am 04.03.2020 für sich und einen Mitreisenden eine Reise nach Sri Lanka vom 07.03.2020 bis 29.03.2020. Die Flugge­sell­schaft strich am 24.03.2020 aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Reise­be­schrän­kungen den Rückflug. Daraufhin buchte der Kläger für sich und seinen Begleiter Rückflüge für den 27.03.2020 von Colombo nach Zürich. Die insoweit entstandenen Kosten in Höhe von 3.610 € stellte der Kläger dem Reise­ver­si­cherer in Rechnung.

Corona-Pandemie als Natur­ka­ta­s­trophe?

Der Kläger meint, bei der Corona-Pandemie handele es sich um eine Natur­ka­ta­s­trophe, sodass der Versicherer die Mehrkosten zu tragen habe. Die hohen Kosten für die Ersatzflüge seien darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesen - vor der Schließung des örtlichen Flughafens - um die einzig verbliebene Rückrei­semög­lichkeit gehandelt habe. Die Beklagte ist der Auffassung, die versicherten Risiken seien in den Versi­che­rungs­be­din­gungen abschließend aufgezählt worden. Eine Pandemie als versichertes Ereignis sei gerade nicht genannt worden.

Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen

Die zuständige Richterin am Amtsgericht gab der Beklagten Recht: Bei der Corona-Pandemie handelt es sich mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Natur­ka­ta­s­trophe. Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere das öffentliche Leben, treten vermittelt durch staatliche Schutzmaßnahmen ein, bei denen es sich um politische Ermessensakte handelt. Bei Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen liegt begrifflich aber keine Natur­ka­ta­s­trophe vor, da diese höchst unterschiedlich ausfallen können. Die Auswahl der Schutzmaßnahmen folgt weltweit verschiedenen Ansätzen. Schutzkonzepte wurden im Laufe der Zeit geändert und angepasst. In Ländern mit strengen Schutzkonzepten sind die Auswirkungen auf das öffentliche Leben stärker spürbar als in Ländern, die weniger strenge Ansätze verfolgen. Kennzeichnend für eine Natur­ka­ta­s­trophe ist aber, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte. Auch in zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Corona-Pandemie von einer Natur­ka­ta­s­trophe. Bei dieser besteht die Gefahrenquelle typischerweise für einen nur begrenzten Zeitraum von maximal einigen Wochen. Die Gefahr durch das Coronavirus besteht aber bereits um ein vielfältiges länger und wird auch aufgrund seiner dezentralen Entwicklung noch länger eine Gefahr darstellen.

Kein Ersatzanspruch mangels Vorliegen eines versicherten Ereignisses

Dieses Ergebnis wird auch durch Erwägungen zur Rechts­si­cherheit gestützt. Naturgemäß schwankende Infek­ti­o­ns­zahlen und sich dem anpassende Schutzmaßnahmen werfen die Abgren­zungsfrage auf, ab welchem Grad die Schwelle zur Natur­ka­ta­s­trophe überschritten würde. Infek­ti­o­ns­zahlen und Schutzmaßnahmen entwickeln sich an verschiedenen Orten unterschiedlich, sodass dasselbe Ereignis teilweise als Natur­ka­ta­s­trophe einzustufen wäre und teilweise nicht. Mangels Vorliegen eines versicherten Ereignisses besteht mithin kein Ersatzanspruch gegen die Beklagte.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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