21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil21.05.2014

Gebrochene Heckscheibe am Cabrio: Versicherung muss "Verschleiß­reparaturen" nicht erstattenIn Cabrio-Stoffdächer eingebaute Kunst­stoff­scheiben unterliegen zwangsläufig besonderer Beanspruchung

Die Kunst­stoff­scheibe im Heck eines Cabrios ist zwar grundsätzlich von der Glas­bruch­versicherung einer Teil­kasko­versicherung mitversichert. Schäden im Biegebereich für den Einklappvorgang deuten jedoch auf Verschleiß hin. Dies entschied das Amtsgericht München.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls stammt aus München und besitzt ein Mercedes Benz Cabrio Typ SL 280, das am 10. Dezember 1997 erstmals zugelassen wurde. Es ist teilkas­ko­ver­sichert bei einer Versicherung mit Sitz in Hannover.

Heckscheibe bricht beim Schließen des Cabrioverdecks

Anfang 2012 machte der Kläger bei der Versicherung einen Glasbruch­schaden geltend. Er hat das Hardtop seines eingewinterten Fahrzeugs entfernt und im Anschluss das Verdeck geschlossen. Beim Schließvorgang hörte er ein seltsames Geräusch und stellte später fest, dass die Heckscheibe gebrochen war.

Versicherung verweigert Regulierung des Schadens unter Verweis auf reinen Verschleiß­schaden

Der Kläger ließ das Verdeck für 1.856,40 Euro reparieren. Er wollte den Schaden durch die Versicherung regulieren lassen. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen. Sie ist der Ansicht, dass es sich um einen reinen Verschleiß­schaden handelt. Eine Zahlung könne nur erfolgen, wenn es sich um einen Bruchschaden handelt, der durch eine Beschädigung oder Zerstörung bei einem Unfall oder einer Einwirkung von außen entstanden ist. Ursache des Schadens sei kein Unfall, sondern eine Materi­a­l­ver­sprödung.

Amtsgericht weist Klage auf Erstattung des Schadens an der Heckscheibe ab

Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht München gegen die Versicherung auf Zahlung von Euro 1.856,40. Die zuständige Richterin hat die Klage abgewiesen und somit der Versicherung Recht gegeben. Das Gericht stellt in seinem Urteil fest, dass nach den dem Versi­che­rungs­vertrag zugrun­de­lie­genden Bedingungen die Teilkaskoversicherung "Bruchschäden an der Verglasung des Fahrzeugs" zwar umfasst. Dabei stehe der Ersatzpflicht nicht entgegen, dass es sich bei der Heckscheibe des Cabrios nicht um Glas, sondern um Kunststoff handelt, denn der Begriff "Glas" sei im weiteren Sinne zu verstehen. Geregelt ist dort aber auch, dass "Verschleiß­re­pa­raturen" nicht ersetzt werden.

Schaden entstand nicht durch Unfallereignis, sondern durch Verschleiß

Die Richterin kam letztlich zu dem Ergebnis, dass der Schaden nicht durch ein Unfallereignis, sondern durch Verschleiß entstanden ist. Es sei keine Fehlfunktion der Mechanik des Verdecks festgestellt worden und das Verdeck habe störungsfrei geöffnet und geschlossen werden können. Die Heckscheibe sei 14 Jahre alt.

Durch­schnittliche Lebenserwartung bei Kunst­stoff­scheiben liegt bei etwa 10 Jahren

Es sei gerichtsbekannt, dass Kunststoffe - anders als Glas - einem nicht unerheblichen Alterungs­prozess unterliegen und je nach Beanspruchung durch äußere Einwirkungen wie Hitze/Kälte/Tempe­ra­tur­wechsel, UV-Strahlung, mechanische Einwirkungen durch Druck oder Biegung u.ä. mehr oder weniger schnell spröde werden und schließlich brechen oder reißen können. In Cabrio-Stoffdächer eingebaute Kunst­stoff­scheiben unterliegen zwangsläufig besonderer Beanspruchung allein unter Berück­sich­tigung der sehr hohen Temperaturen aufgrund direkter Sonnen­ein­strahlung sowohl auf die Scheibe bei geschlossenem Cabrio als auch auf die - hier zumal schwarze - Abdeckung im geöffneten Zustand eines typischerweise im Sommer genutzten Fahrzeugs. Hinzu kommt die mechanische Beanspruchung durch den Einklappvorgang. Aus vergleichbaren Fällen sei bekannt, dass sachver­stän­di­genseits von einer durch­schnitt­lichen Lebenserwartung derartiger Scheiben von 10 Jahren, einer maximalen Lebenserwartung von 15 Jahren auszugehen ist.

Lichtbilder belegen milchig wirkenden mehrfach eingerissen Kunststoff

Für einen Verschleiß­schaden spricht nach Ansicht des Gerichts auch das, was auf den vorgelegten Lichtbildern festgestellt wurde: Zu sehen ist bei geschlossenem Verdeck die dreigeteilte Heckscheibe (großer Mittelbereich, kleine Seitenbereiche rechts und links). Der schon milchig wirkende Kunststoff ist an den Randbereichen sowohl rechts als auch links mehrfach eingerissen. Die größten Schadstellen mit heraus­ge­bro­chenen Bereichen befinden sich auf einer Höhe im Biegebereich für den Einklappvorgang. Auch rund um die bereits deutlich sichtbaren Risse sind auf den Lichtbildern mit halbgeöffnetem Verdeck in den Scheiben eine Vielzahl von kleineren Haarrissen und Eintrübungen zu sehen, die das typische Erschei­nungsbild für spröde gewordene Kunststoffe sind, kurz bevor das Material bei weiterer mechanischer Beanspruchung bricht.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil20376

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI