15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 1788

Drucken
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Vergleich

Vergleich bei fachlich umstrittener Heilbehandlung

Eine unter einer sogenannten "Kalkschulter" leidende Patientin zahlt einen Teil der entstandenen Behand­lungs­kosten einer Therapie nebst angefallender Gerichtskosten, da es sich um eine medizinisch nicht anerkannte Heilmethode handelte.

Die in Baldham bei München wohnende Klägerin litt seit Mitte der 60-Jahre unter chronischer "Tendinitis calcarea" (sog. "Kalkschulter") im Bereich der linken Schulter und befand sich deshalb über jahrzehnte kontinuierlich in ärztlicher Behandlung. Als Behand­lungs­formen wurden sowohl Infiltrationen, Eisbehandlung, physikalische Therapie sowie medikamentöse Therapie versucht. Auch übliche konservative Methoden wie Fangopackungen, Massagen, Heilbäder brachten allenfalls vorübergehende Linderung. Der Zustand der Klägerin verschlechterte sich soweit, dass ihr linker Arm fast steif war und sie Hilfe beim Ankleiden benötigte. Ihre Schmerzen waren permanent vorhanden, zeitweise unerträglich.

Nachdem sie umgezogen war, begab sie sich zu einem "neuen Orthopäden" in Behandlung. Nachdem dieser auch zunächst die üblichen Therapien mit den schon bekannten mehr oder weniger großen Erfolg anwandte, brachte er in einem Gespräch mit der Klägerin eine neue, allerdings in der medizinischen Fachwelt umstrittene Therapie ins Gespräch. Man könne bei ihr eine sogenannte "extrakorporale Stoßwel­len­therapie" versuchen, die zwischen zwei, drei mal zu wiederholen wäre.

Da die Klägerin nach ihrem jahrzehn­te­langen Leiden "jeden Strohhalm", der zu einer Besserung führten könnte, ergriffen hätte, stimmte sie dieser Therapie zu. Um jedes Risiko bei der Behandlung auszuschließen, riet der behandelnde Arzt dazu, die Therapie unter Beisein eines Anästhesisten stationär durchzuführen. Am 11.04.2000 fand die erste Behandlung statt. Sofort merkte die Klägerin eine erhebliche Linderung ihrer Beschwerden. Am 09.05.2000 fand die zweite Behandlung statt. Nach einigen Wochen war die Klägerin vollständig beschwerdefrei. Auch in der Folgezeit traten keine Beein­träch­ti­gungen an der Schulter mehr auf. Der behandelnde Orthopäde stellte für seine Bemühungen DM 2.777,00 (= € 1.416,00) in Rechnung.

Die Klägerin reichte diese Rechnung bei der später beklagten Kranken­ver­si­cherung ein. Diese verweigerte eine Erstattung, da Kranken­ver­si­che­rungs­schutz nur für medizinisch anerkannte Heilbe­hand­lungen bestehe. Bei der extrakorporalen Stoßwel­len­therapie handele es sich jedoch um eine medizinisch umstrittene, nicht anerkannte Heilmethode.

Da eine vorgerichtliche Einigung nicht möglich war, reichte die Klägerin im April 2001 Klage zum Amtsgericht München über den Rechnungsbetrag ein.

Der zuständige Richter holte ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eines Univer­si­täts­pro­fessors aus München ein. Dieser stellte in seinem Gutachten fest, dass die Stoßwel­len­therapie bei der gegebenen Kranken­ge­schichte ärztlich vertretbar und auch in der durchgeführten stationären Form medizinisch notwendig anzusehen war. Insbesondere auch das Beisein eines Lokal­an­äs­the­sisten, verbunden mit dem eintägigen stationären Aufenthalt, sei aus sachver­ständiger Sicht nicht zu beanstanden. Dem Orthopäden sei aus der Krankenge-schichte der Klägerin bekannt gewesen, dass eine Kreis­lau­fun­re­gel­mä­ßigkeit vorlag. Hätte er nicht diese Vorsicht walten lassen, hätte er sich bei einem etwaig eingetretenen Kreis­lauf­zwi­schenfall mit Herzstillstand mutmaßlich sagen lassen müssen, er habe einen Kunstfehler begangen.

Die beklagte Versicherung erhob mehrere Einwände gegen dieses Gutachten. In weiteren mündlichen Verhandlungen wurde der Gutachter und weitere beratende Ärzte mündlich angehört.

Auf dringendes Anraten des Gerichts schlossen die Parteien dann letztlich einen Vergleich, nachdem die beklagte Kranken­ver­si­cherung zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus der Behandlung € 946,80 (= 2/3 der Klageforderung) bezahlte. Von den Kosten des Rechtsstreits hatte die Klägerin entsprechend der Hauptsache 1/3, die Beklagte 2/3 zu bezahlen. Diese Kosten waren hier nicht unerheblich. Allein die Gerichtskosten betrugen vorliegend € 6.569,00, wovon fast € 6.000,00 Sachver­stän­di­gen­kosten in Ansatz gebracht werden mussten.

Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 16.01.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Entscheidung1788

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI