Dokument-Nr. 1788
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Amtsgericht München Vergleich
Vergleich bei fachlich umstrittener Heilbehandlung
Eine unter einer sogenannten "Kalkschulter" leidende Patientin zahlt einen Teil der entstandenen Behandlungskosten einer Therapie nebst angefallender Gerichtskosten, da es sich um eine medizinisch nicht anerkannte Heilmethode handelte.
Die in Baldham bei München wohnende Klägerin litt seit Mitte der 60-Jahre unter chronischer "Tendinitis calcarea" (sog. "Kalkschulter") im Bereich der linken Schulter und befand sich deshalb über jahrzehnte kontinuierlich in ärztlicher Behandlung. Als Behandlungsformen wurden sowohl Infiltrationen, Eisbehandlung, physikalische Therapie sowie medikamentöse Therapie versucht. Auch übliche konservative Methoden wie Fangopackungen, Massagen, Heilbäder brachten allenfalls vorübergehende Linderung. Der Zustand der Klägerin verschlechterte sich soweit, dass ihr linker Arm fast steif war und sie Hilfe beim Ankleiden benötigte. Ihre Schmerzen waren permanent vorhanden, zeitweise unerträglich.
Nachdem sie umgezogen war, begab sie sich zu einem "neuen Orthopäden" in Behandlung. Nachdem dieser auch zunächst die üblichen Therapien mit den schon bekannten mehr oder weniger großen Erfolg anwandte, brachte er in einem Gespräch mit der Klägerin eine neue, allerdings in der medizinischen Fachwelt umstrittene Therapie ins Gespräch. Man könne bei ihr eine sogenannte "extrakorporale Stoßwellentherapie" versuchen, die zwischen zwei, drei mal zu wiederholen wäre.
Da die Klägerin nach ihrem jahrzehntelangen Leiden "jeden Strohhalm", der zu einer Besserung führten könnte, ergriffen hätte, stimmte sie dieser Therapie zu. Um jedes Risiko bei der Behandlung auszuschließen, riet der behandelnde Arzt dazu, die Therapie unter Beisein eines Anästhesisten stationär durchzuführen. Am 11.04.2000 fand die erste Behandlung statt. Sofort merkte die Klägerin eine erhebliche Linderung ihrer Beschwerden. Am 09.05.2000 fand die zweite Behandlung statt. Nach einigen Wochen war die Klägerin vollständig beschwerdefrei. Auch in der Folgezeit traten keine Beeinträchtigungen an der Schulter mehr auf. Der behandelnde Orthopäde stellte für seine Bemühungen DM 2.777,00 (= € 1.416,00) in Rechnung.
Die Klägerin reichte diese Rechnung bei der später beklagten Krankenversicherung ein. Diese verweigerte eine Erstattung, da Krankenversicherungsschutz nur für medizinisch anerkannte Heilbehandlungen bestehe. Bei der extrakorporalen Stoßwellentherapie handele es sich jedoch um eine medizinisch umstrittene, nicht anerkannte Heilmethode.
Da eine vorgerichtliche Einigung nicht möglich war, reichte die Klägerin im April 2001 Klage zum Amtsgericht München über den Rechnungsbetrag ein.
Der zuständige Richter holte ein Sachverständigengutachten eines Universitätsprofessors aus München ein. Dieser stellte in seinem Gutachten fest, dass die Stoßwellentherapie bei der gegebenen Krankengeschichte ärztlich vertretbar und auch in der durchgeführten stationären Form medizinisch notwendig anzusehen war. Insbesondere auch das Beisein eines Lokalanästhesisten, verbunden mit dem eintägigen stationären Aufenthalt, sei aus sachverständiger Sicht nicht zu beanstanden. Dem Orthopäden sei aus der Krankenge-schichte der Klägerin bekannt gewesen, dass eine Kreislaufunregelmäßigkeit vorlag. Hätte er nicht diese Vorsicht walten lassen, hätte er sich bei einem etwaig eingetretenen Kreislaufzwischenfall mit Herzstillstand mutmaßlich sagen lassen müssen, er habe einen Kunstfehler begangen.
Die beklagte Versicherung erhob mehrere Einwände gegen dieses Gutachten. In weiteren mündlichen Verhandlungen wurde der Gutachter und weitere beratende Ärzte mündlich angehört.
Auf dringendes Anraten des Gerichts schlossen die Parteien dann letztlich einen Vergleich, nachdem die beklagte Krankenversicherung zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus der Behandlung € 946,80 (= 2/3 der Klageforderung) bezahlte. Von den Kosten des Rechtsstreits hatte die Klägerin entsprechend der Hauptsache 1/3, die Beklagte 2/3 zu bezahlen. Diese Kosten waren hier nicht unerheblich. Allein die Gerichtskosten betrugen vorliegend € 6.569,00, wovon fast € 6.000,00 Sachverständigenkosten in Ansatz gebracht werden mussten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.02.2006
Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 16.01.2006
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