18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht München Urteil05.05.2015

Unwahre Aussagen zur "Scheck­heft­pflege" eines Fahrzeugs in Verkaufsanzeige berechtigen zur Rückabwicklung des KaufvertragsKäufer darf sich auf Angaben des Verkäufers in dessen Angebot verlassen

Wer als Privatperson einen PKW als "scheck­heft­ge­pflegt" anbietet, muss sich dies später beim Verkauf an eine Privatperson als Beschaffenheits­verein­barung zurechnen lassen mit der Folge, dass ein vereinbarter Gewähr­leistungs­aus­schluss insoweit nicht greift. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München hervor.

Im zugrunde liegenden Streitfall kaufte die 55-jährige Klägerin aus München von dem 32-jährigen Beklagten aus München am 8. November 2014 einen gebrauchten VW Polo zum Preis von 1.950 Euro. Der Beklagte hatte das Fahrzeug zuvor auf einer Inter­net­plattform angeboten. Das Inserat wies zur Beschreibung des Fahrzeugs unter anderem die Leistung des Fahrzeugs mit 55 kW und die Eigenschaft "scheck­heft­ge­pflegt" aus. Die beiden Parteien benutzten einen vorgedruckten Kaufvertrag für den privaten Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen. Darin findet sich der Hinweis, dass das Fahrzeug "unter Ausschluss der Sachmän­gel­haftung" verkauft wird.

Käuferin verlangt aufgrund von Mängeln am Fahrzeug Rückgabe und Kaufprei­s­er­stattung

Am 13. Januar 2015 ließ die Klägerin das Fahrzeug in einer Werkstatt untersuchen. Dabei wurde festgestellt, dass die Motorleistung nur 44 kW betrug, das Fahrzeug nicht scheck­heft­ge­pflegt war und zudem weitere Mängel aufwies. Die Klägerin trat darauf von dem Vertrag zurück. Sie verlangt von dem Beklagten gegen Rückgabe des Fahrzeugs die von ihr bezahlten 1.950 Euro zurück.

AG bejaht Anspruch auf Rückabwicklung

Der Beklagte weigerte sich, den Vertrag rückgängig zu machen. Deshalb erhob die Klägerin Klage zum Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab ihr Recht. Sie könne die Rückabwicklung verlangen, da das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweise und damit mangelhaft ist. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liege hinsichtlich der Eigenschaft "scheck­heft­ge­pflegt" und der Motorleistung vor.

Unter Beschaffenheit falle jede Eigenschaft und jeder der Sache anhaftende tatsächliche, wirtschaftliche oder rechtliche Umstand. Vereinbart werde die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrages die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie sie im Vertrag festgelegt ist.

Scheck­heft­pflege des Fahrzeuges war maßgebend für Kaufentschluss

Die Scheck­heft­pflege eines Fahrzeuges stelle eine Beschaffenheit dar, da sie ein wertbildender Faktor des Fahrzeugs sei. Die Angebots­be­schreibung im Internet habe nicht lediglich werbenden Charakter. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass im Kaufver­trags­formular eine nähere Beschreibung des Fahrzeuges hinsichtlich Ausstattung und Zustand des Fahrzeugs nicht mehr im Detail erfolgt sei. Die Scheck­heft­pflege als Beschaffenheit des Fahrzeuges sei auch nicht bloß eine einseitige Erwartung der Klägerin gewesen, da der beklagte Verkäufer ohne Anlass darauf im Internetangebot hingewiesen habe und somit die Erwartung nicht einseitig von der Klägerin ausgegangen sei. Für die Klägerin sei die Angabe, dass das Fahrzeug scheck­heft­ge­pflegt ist, maßgebend für den Kaufentschluss gewesen. Sie habe erwarten können, dass die vorge­schriebenen Inspektionen von einer hierzu autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt und im Scheckheft dokumentiert sind. Eine weitere Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung hätten die Parteien über die Motorstärke getroffen in Höhe von 55 kW. Obwohl im Kaufvertrag vom 8. November 2014 auf die Motorleistung nicht erneut eingegangen wurde, habe die Angabe im Angebot auch hier nicht nur werbenden Charakter, sondern bestimme die geschuldete Leistungs­pflicht des Beklagten.

Verkäufer muss sich im Hinblick Gewähr­leis­tungs­aus­schluss Vorwurf der Arglist gefallen lassen

Das Amtsgericht entschied, dass sich der beklagte Verkäufer nicht auf den Gewähr­leis­tungs­aus­schluss berufen kann. Zur Begründung führte das Gericht weiter aus, dass sich der Beklagte bei einem Gewähr­leis­tungs­aus­schluss den Vorwurf der Arglist gefallen lassen müsse und sich gemäß § 444 BGB wegen der vorbezeichneten Mängel nicht auf den Haftungsausschluss berufen könne. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs handele ein Verkäufer arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben macht. Davon sei hier auszugehen. Der Beklagte habe das Fahrzeug als scheck­heft­ge­pflegt angeboten, ohne den Nachweis dafür zu erbringen, obwohl er wissen musste, ob die nach den Herstel­ler­angaben erforderlichen Wartungen durch eine autorisierte Fachwerkstatt regelmäßig durchgeführt worden sind. Dass die Klägerin nicht sofort nach dem Scheckheft gefragt hat, lasse nicht den Schluss zu, dass die Scheck­heft­pflege für sie keine maßgebliche Bedeutung gehabt hätte. Vielmehr durfte die Klägerin sich auf die Angaben des Beklagten in dessen Angebot verlassen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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