18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil15.04.2009

Versicherung muss Kosten für Reisess­tor­nierung wegen Krebserkrankung in voller Höhe übernehmenVerzögerte Weiterleitung von Unter­su­chungs­er­geb­nissen durch den Arzt darf nicht zu Lasten des Versicherten gehen

Wird bei einer Darmspiegelung im Rahmen einer Routi­ne­un­ter­suchung ein Polyp festgestellt, der sich später als Krebsgeschwür erweist, muss derjenige, der eine Reise geplant hat, nicht schon sofort bei Entnahme des Polypen diese stornieren. Er muss nicht sofort auf eine Krebserkrankung schließen. Die Stornierung bei Mitteilung der endgültigen Diagnose ist rechtzeitig und unverzüglich vorzunehmen. Dies entschied das Amtsgericht München.

Der spätere Kläger schloss im August 2007 für sich und seine Frau bei einem Versi­che­rungs­un­ter­nehmen eine Reise­rück­tritts­ver­si­cherung für eine Reise nach Thailand ab. Reisebeginn wäre Mitte November 2007 gewesen. Mitte Oktober 2007 wurde im Rahmen einer Routi­ne­un­ter­suchung beim späteren Kläger eine Darmspiegelung vorgenommen, in deren Verlauf auch ein Polyp entfernt und zur histologischen Untersuchung an ein Labor gesandt wurde. Der Befund ging Ende Oktober 2007 beim Hausarzt des Klägers ein, er selbst erfuhr aber erst 14 Tage später davon. Nach weiteren Untersuchungen und Beratungen mit Spezialisten wurde schließlich beim späteren Kläger Darmkrebs diagnostiziert. Er musste operiert werden. Am Tag der endgültigen Diagnose stornierte der Versi­che­rungs­nehmer die Reise. Auf Grund der Stornierung fielen 5800 Euro Stornokosten an. Hiervon bezahlte die Versicherung 3283 Euro. Sie legte bei der Berechnung den Tag des Einganges des Befundes beim Hausarzt zugrunde. Dass der Versi­che­rungs­nehmer sich erst 14 Tage später davon Kenntnis verschaffte, sei eine grobe Nachlässigkeit, die zu seinen Lasten gehe. Es seien daher nur die Kosten zu begleichen, die bei rechtzeitiger Anzeige Ende Oktober angefallen wären.

Darauf hin erhob der Versi­che­rungs­nehmer Klage beim AG München. Der zuständige Richter gab ihm Recht.

Patient ist nicht verpflichtet, sich bei Routi­ne­un­ter­suchung selbstständig beim Arzt nach Ergebnissen zu erkundigen

Beim Kläger habe durch die Darmkre­bs­er­krankung eine schwere Erkrankung vorgelegen. Die Anzeige des Versi­che­rungs­falles sei auch unverzüglich erfolgt. Unverzüglich bedeute, dass sie ohne schuldhaftes Zögern abgegeben sein müsse. Dies sei hier der Fall. Bei der durchgeführten Darmspiegelung handelte es sich unstreitig um eine Routi­ne­un­ter­suchung. Dass hierbei auch ein Polyp entfernt und zur histologischen Untersuchung an ein Labor gesandt wurde, ändere nichts daran, dass der Kläger die Untersuchung nicht auf Grund von akuten Beschwerden, die möglicherweise ein Hinweis auf eine schwere Erkrankung hätten sein können, vornehmen ließ. Niemand hätte dem Kläger gesagt, wie lange eine histologische Untersuchung dauern würde. Dass dem behandelnden Hausarzt die Ergebnisse schon 14 Tage lang vorlagen und er sie nicht unmittelbar an den Kläger weitergeleitet habe, sei dem Kläger nicht zuzurechnen. Der Hausarzt sei insoweit nicht Erfül­lungs­gehilfe des Klägers. Es bestünde auch keine Pflicht des Klägers, sich in kürzeren Zeitabständen danach zu erkundigen, ob die Ergebnisse der Labor­un­ter­suchung bereits vorlägen. Dies möge dann der Fall sein, wenn eine akute Erkrankung vorliege. Bei einer Routi­ne­un­ter­suchung ohne konkreten Anlass müsse der Versicherte nicht mit einer Diagnose rechnen, die einen Reiseantritt unmöglich mache. Ihm in dieser Konstellation die Verpflichtung aufzubürden, sich kurzfristig und mehrmals darüber zu informieren, ob die Labor­un­ter­su­chungen bereits abgeschlossen seien, würde die Anforderungen an den Kläger überspannen.

Quelle: ra-online, AG München

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