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- NJW-RR 2017, 951Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 951
- RRa 2017, 250Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2017, Seite: 250
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Amtsgericht Hannover Urteil14.03.2017
Kein Anspruch des Fluggastes auf Ausgleichszahlung aufgrund schuldhaft verspäteten Erreichens des AnschlussflugesAnscheinsbeweis spricht für Eigenverschulden des Fluggastes bei pünktlicher Landung, ausreichender Umstiegszeit und Umstiegszeit gleich oder oberhalb der Minimum Connecting Time
Kommt es zu einer Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden, weil der Fluggast schuldhaft seinen Anschlussflug verspätet erreicht, so besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (VO). Die Fluggesellschaft kann sich in diesem Fall auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO berufen. Es spricht ein Anscheinsbeweis für ein Eigenverschulden des Fluggastes, wenn der Zubringerflug pünktlich landete, die vorgesehene Umstiegszeit zur Verfügung stand und die Umstiegszeit gleich oder oberhalb der vom Flughafen garantierten Mindestzeit (Minimum Connecting Time) lag. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Hannover vor.
In dem zugrunde liegenden Fall erreichte eine Reisende im Juli 2016 ihr Endziel Los Angeles mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden. Hintergrund dessen war, dass es aufgrund des verspäteten Zubringerflugs aus Hannover zeitlich nicht möglich war, den Anschlussflug in Frankfurt a.M. nach Los Angeles zu erreichen. Die Fluggesellschaft warf der Reisenden das verspätete Erreichen des Anschlussfluges vor und weigerte sich daher eine Ausgleichszahlung vorzunehmen. Die Reisende sah sich daraufhin gezwungen Klage zu erheben.
Anspruch auf Ausgleichszahlung aufgrund Ankunftsverspätung
Das Amtsgericht Hannover entschied zu Gunsten der Klägerin. Ihr stehe aufgrund der Ankunftsverspätung ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 VO zu. Die Fluggesellschaft könne sich nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO berufen, weil die Klägerin verspätet den Anschlussflug erreichte.
Kein Anspruch des Fluggastes auf Ausgleichszahlung bei schuldhaft verspätetem Erreichens des Anschlussfluges
Zwar könne sich ein Luftfahrtunternehmen auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, so das Amtsgericht, wenn der Fluggast trotz ausreichender Umstiegszeit den Anschlussflug nicht erreicht, weil er etwa trödelt, sich trotz ausreichender Informationen verläuft oder trotz ausreichender Hinweise die Boardingzeit nicht einhält und es deshalb zur Ankunftsverspätung kommt. Es spreche ein Anscheinsbeweis für ein Eigenverschulden des Fluggastes, wenn der Zubringerflug pünktlich landete, die vorgesehene Umstiegszeit zur Verfügung stand und die Umstiegszeit gleich oder oberhalb der vom Flughafen garantierten Minimum Connecting Time (MCT) lag. Dies gelte auch dann, wenn zwar der Zubringerflug verspätet landete, aber die Umstiegszeit noch größer oder gleich der MCT ist. Allerdings sei zu beachten, dass die MCT nur den Zeitraum zwischen Ankunft an der Parkposition und Verlassen der Parkposition bezeichne, während es für die tatsächliche Umstiegszeit auf die Zeit zwischen Öffnen der Türen und Ende des Boardings ankomme. Ein Anscheinsbeweis könne daher nur dann angenommen werden, wenn die MCT unter Abzug der Zeiten bis Öffnung der Türen und der Zeiten ab Boarding gewahrt sei.
Reisende trifft kein Verschulden an verspätetem Erreichen des Anschlussfluges
Nach Auffassung des Amtsgerichts spreche nicht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden der Klägerin an dem verspäteten Erreichen des Anschlussfluges. Denn die zur Verfügung stehende Umstiegszeit habe unterhalb der MCT gelegen. Dass und wie es der Klägerin möglich gewesen sein sollte, dennoch rechtzeitig den Anschlussflug zu erreichen, habe die beklagte Fluggesellschaft nicht vorgetragen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.11.2017
Quelle: Amtsgericht Hannover, ra-online (vt/rb)
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