21.11.2024
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Amtsgericht Freiburg Urteil02.11.2010

Mobilfunkmast außer Betrieb setzen ist auch bei angeblicher "gefährlicher Strahlung" strafbarZur Strafbarkeit wegen Störung von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen

Wer den Mobilfunk stört, indem er einen Mobilfunkmast mit einer Rettungsdecke abdeckt, macht sich wegen Störung von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen strafbar. Dies gilt auch dann wenn die Aktion das Ziel hat auf eventuelle gefährliche Strahlung aufmerksam zu machen und jemandem zu helfen, der unter dieser Strahlung leidet, wie aus einem Urteil des Amtsgerichts Freiburg hervorgeht.

Im zugrunde liegenden Fall wollte eine Gruppe auf schädliche Strahlung durch den Mobilfunk aufmerksam machen und einem Bekannten helfen, der unter dieser Strahlung leidet.

Elektrosensibilität

Einer der Teilnehmer (der spätere Angeklagte U.W.) ist in besonderer Weise "elektrosensibel". Er sucht Funklöcher auf, um dort ungestört leben zu können. Er hatte festgestellt, dass es ihm fernab von Funkanlagen wesentlich besser ging, weshalb er sich öfters in den Wald zurückzog. Meist lebte er in einem Wohnanhänger; teils auf einem Bio-Bauernhof, der (noch) in einem Funkloch lag.

Bekannte bieten Hilfe an

Kurz vor Beginn des Winters 2009/2010 lebte U.W. an einem Ort, an dem er schlecht überwintern konnte. Seine Freunde und Bekannten suchten daher U.W. auf, um mit ihm zu diskutieren, was angesichts des beginnenden Winters und der fehlenden Winter­taug­lichkeit des damaligen Aufent­haltsortes zutun sei. Sie boten ihm an, einen Mobilfunkmast zu besteigen und den Sender mit einer Rettungsdecke abzustellen.

Mobilfunkmast vorübergehend außer Betrieb gesetzt

Am 11.12.2009 gegen 15.00 Uhr wurde die Aktion durchgeführt. Die Angeklagte V.G. bestieg den Funksendemast der Firma Telefonica O2 in St. Märgen, Zwerisberg 2. Sie bedeckte die an dem Mast angebrachte Funkantenne, so dass diese nicht mehr funktionsfähig war. Der Sendemast wurde hierdurch für ca. 3,5 Stunden außer Betrieb gesetzt. Telefonica schaltete aus Sicher­heits­gründen einen weiteren Sendemast in Todtnau ab, der mit dem Mast in St. Märgen verbunden war. Wie viele Telefonate hierdurch vereitelt wurden ist unklar. Schäden an der Anlage entstanden nicht. Etwaige Notrufe hätten über die Sendeanlagen anderer Mobil­funk­an­bieter abgewickelt werden können.

Ein Sonder­ein­satz­kommando der Polizei beendete die Aktion. Die Angeklagte V.G. die auf den Mast gestiegen war, hatte sich dort fest gekettet und konnte durch das Sonder­ein­satz­kommando erst heruntergeholt werden, nachdem die Kette zerstört worden war.

Andere Teilnehmer des Aktionsbündnis (H.H. und H-P. S.)hielten während der Aktion ein Transparent mit der Aufschrift "AB Strahl, Aktionsbündnis für strahlungsfreie Lebensräume e.V." hoch und waren mit weißen Schutzanzügen bekleidet.

Gericht verurteilt die Angeklagte, die auf den Mast gestiegen war, gemäß § 317 Abs. 1 StGB

Das Amtsgericht Freiburg verurteilte die Angeklagte V.G., die auf den Mast geklettert war und ihn abgedeckt hatte, wegen Störung von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen (§ 317 Abs. 1 StGB*) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30,- EUR. Es führte aus, dass die Tat weder durch recht­fer­ti­genden Notstand gemäß § 34 StGB gerechtfertigt, noch durch entschul­di­genden Notstand gemäß § 35 StGB entschuldigt sei.

Tat ist nicht gerechtfertigt oder entschuldigt

Selbst wenn man zugunsten des Angeklagten U.W. unterstelle, was bislang nicht erwiesen sei, dass Funkwellen für ihn eine akute Gefahr für Leib oder Leben darstellten, komme eine Rechtfertigung oder Entschuldigung der Tat nicht in Betracht.

Selbsthilfe ist grundsätzlich nicht erlaubt

Die Rechtsordnung erlaube es grundsätzlich nicht, eigene Interessen oder Rechte im Wege der Selbsthilfe wahrzunehmen. Vielmehr seien Gerichte in einem geordneten Verfahren zu Hilfe zu nehmen. Weil der Angeklagte U.W. seine gesundheitliche Problematik schon seit Jahren kannte, habe hier kein neuer akuter Eilfall vorgelegen, der einen Notstand rechtfertigen würde. Selbsthilfe unter Umgehung der Gerichte sei grundsätzlich kein angemessenes Mittel im Sinne des § 34 Satz 2 StGB, führte das Amtsgericht Freiburg aus.

Auch eine Entschuldigung nach § 35 StGB komme nicht in Betracht. Denn gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 StGB könne sich nicht auf entschul­di­genden Notstand berufen, wem zugemutet werden könne, die Gefahr hinzunehmen. Dies sei hier der Fall, weil der Angeklagte U.W. schon viel früher hätte den zivilen Rechtsweg beschreiten könnten, um dem Sendemast abschalten zu lassen.

Gericht verurteilt die übrigen Teilnehmer der Tat wegen Beihilfe

Das Amtsgericht Freiburg verurteilte H.H. und H-P. S., die das Transparent gehalten halten, wegen Beihilfe zur Störung von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen. Sie unterstützten die Angeklagte V.G. zumindest psychisch. Auch U.W, der über die Aktion die Medien informiert hatte, wurde wegen Beihilfe verurteilt.

Strafzumessung

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht hinsichtlich aller Angeklagten, dass die Tat nur geringe Folgen hatte und nur wenige Telefonate vereitelt wurden und der Notruf möglich blieb. Zugunsten des Angeklagten U.W. stellte das Gericht fest, dass er zum Erhalt seiner eigenen Gesundheit tätigt wurde. Zugunsten der anderen Angeklagten liege das altruistische Motiv vor, den Angeklagten U.W. in seiner schwierigen Situation zu helfen, führte das Gericht aus.

Erläuterungen

*§ 317 StGB: Störung von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen

(1) Wer den Betrieb einer öffentlichen Zwecken dienenden Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlage dadurch verhindert oder gefährdet, daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Wer die Tat fahrlässig begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft

Quelle: ra-online, Amtsgericht Freiburg (vt/pt)

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