Amtsgericht Essen Urteil12.11.1979
Schmerzensgeld für ältere, herzkranke Frau aufgrund erlittenen Weinkrampfs nach falscher Verdächtigung eines LadendiebstahlsGenugtuungsfunktion rechtfertigt Zuerkennung eines Schmerzensgelds
Erleidet eine ältere, herzkranke Frau einen Weinkrampf, weil sie zu Unrecht eines Ladendiebstahls beschuldigt wird, so rechtfertigt die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds die Zuerkennung eines Schmerzensgelds. Dies hat das Amtsgericht Essen entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1979 wurde eine 68-jährige, herzkranke Frau von vier Ladendetektiven im Detektivbüro eines Warenhauses des Diebstahls einer Perücke und einer Dose Haarspray beschuldigt. Die Frau hatte die Waren bezahlt und anschließend in eine Tasche gesteckt. Ein Ladendetektiv hatte nur das Hineinstecken der Ware in die Tasche beobachtet, ohne den Bezahlvorgang gesehen zu haben. Nachdem die Frau den Kassenbon gefunden hatte, wurde sie entlassen. Nachfolgend klagte sie gegen die Betreiberin des Warenhauses auf Zahlung von Schmerzensgeld. Die Frau führte an, noch im Detektivbüro einen Weinkrampf erlitten zu haben, der sich einige Tage später nach Schilderung des Vorfalls anlässlich einer Familienfeier wiederholte.
Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund Weinkrampfs
Das Amtsgericht Essen entschied zu Gunsten der Klägerin. Ihr stehe gemäß § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Aufgrund des Weinkrampfs habe eine Körperverletzung vorgelegen. Dabei handele es sich nicht nur um eine rein seelische Beeinträchtigung, vielmehr wirken sich Weinkrämpfe auf die körperlichen Funktionen aus, so dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vorliege.
Falsche Verdächtigung eines Ladendiebstahls
Nach Ansicht des Amtsgerichts dürfen Ladendetektive nicht schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit oder dem geringsten Verdacht einschreiten. Vielmehr bestehe ein Eingriffsrecht nur, wenn sie sehen, dass ein Kunde eine Ware aus dem Regal in die eigene Tasche steckt und den Bereich der jeweiligen Abteilung deutlich verlässt, ohne an der Kasse gewesen zu sein. Allein der Umstand, dass ein Kunde eine Ware in seine Einkaufstasche steckt, begründe noch keinen hinreichenden Tatverdacht. Zudem müsse bei älteren Leuten im besonderen Maße der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden. So hätte der Detektiv zunächst bei der Kasse erfragen können, ob die Klägerin bezahlt habe. Dabei hätte er die Klägerin im Auge behalten können. Eine schnelle Flucht der Klägerin sei nicht zu erwarten gewesen.
Schmerzensgeld von 250 DM
Zwar habe nur eine Bagatellverletzung vorgelegen, so das Amtsgericht, welche ein Schmerzensgeld regelmäßig nicht rechtfertige. Im vorliegenden Fall habe aber die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds einen Betrag von 250 DM gerechtfertigt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.05.2018
Quelle: Amtsgericht Essen, ra-online (zt/NJW 1980, 346/rb)