21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
ergänzende Informationen

Amtsgericht Cham Urteil04.11.1996

Kaufvertrag über Antiblitz-Reflexfolien ist sittenwidrigBeiderseits sittenwidriges Geschäft

Der Erwerb und die Verwendung von Anti-Radar-Folien sind in der Regel sittenwidrig. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Cham hervor.

Der Kläger, ein erfolgreicher Kaufmann, war aus beruflichen Gründen viel mit seinem Auto unterwegs. Offenbar war er ein flotter Fahrer und hatte es oft besonders eilig. Jedenfalls musste er in der Vergangenheit bereits - wie er es ausdrückte - "Erfahrungen mit Geschwin­dig­keits­kon­trollen auf der Autobahn machen". Da kam ihm der Hinweis eines Freundes auf ein Zeitungsinserat gerade recht. In der Anzeige pries der Beklagte eine schon seit Jahren "bewährte" Reflexfolie an, die das Kennzeichen "bei Fotoblitz absolut unsichtbar" mache.

Rechtsauskunft

Ängstliche Gemüter beruhigte die Monta­ge­an­leitung mit dem (irreführenden) Hinweis, das Überkleben des Kennzeichens mit der Folie gelte nicht als strafbare Urkun­den­fäl­schung. Freilich habe die Geschichte einen kleinen Haken: Das Überdecken der Kennzeichen-Buchstaben stelle eine Ordnungs­wid­rigkeit dar, die mit 20 DM Verwarnungsgeld belegt werden könne. "Also entscheiden Sie selbst!", heißt es schließlich in der Anleitung, bei deren Lektüre sich der Leser das Augenzwinkern des Verfassers lebhaft vorstellen kann.

35 Tarnfolien

Von der Aussicht, lästige Verkehrs­be­schrän­kungen in Zukunft etwas lockerer nehmen zu können, war der Geschäftsmann so begeistert, dass er gleich 35 Folien auf einmal bestellte. Von den Tarnzeichen sollten auch andere Fahrzeuge seines Fuhrparks profitieren.

Enttarnung

Ein halbes Jahr später wurde der Kaufmann auf der Autobahn geblitzt. Bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h hatte er einen viel zu geringen Sicher­heits­abstand eingehalten, nämlich statt 65 m (= halber Tachowert) nur 17 m. Beim Auswerten des Filmes war vom amtlichen Kennzeichen zunächst nur der Anfangs­buchstabe erkennbar. Mit Hilfe spezieller Unter­su­chungs­me­thoden gelang es jedoch der Polizei, auch den Rest des Kennzeichens sichtbar zu machen.

Strafrechtliche Verurteilung wegen Kennzei­chen­miss­brauchs

Sein untauglicher Versuch, dem Auge des Gesetzes zu entwischen, kam den Geschäftsmann teuer zu stehen. Zum einen handelte er sich eine saftige Geldstrafe ein. Zwar nicht wegen "Urkun­den­fäl­schung" (insofern hatte das Inserat recht), jedoch wegen "Kennzei­chen­miss­brauchs" verurteilte ihn das Amtsgericht Neumarkt i.d.Opf. zu einer Geldstrafe von knapp 6.000 DM (Az. Cs 706 Js 73539/95).

Kläger verlangt Schadensersatz sowie Kaufpreis zurück

Außerdem war dem Geschäftsmann inzwischen klar geworden, dass die Tarnwirkung der Folie wohl doch nicht so "phänomenal" war, wie es die Werbung verhieß. Der Kaufpreis von 570 DM (35 Stück zu je 16 DM) hatte sich vielmehr als Fehlinvestition entpuppt.

Wegen seiner finanziellen Einbußen wollte sich der enttäuschte Kaufmann am Vertreiber der Folie schadlos halten. Mit der Begründung, der Händler habe ihm eine falsche Rechtslage vorgespiegelt, verklagte er ihn auf Rückerstattung des Kaufpreises sowie auf Ersatz des weiteren Schadens einschließlich der Geldstrafe.

Gericht weist Klage ab

Das Amtsgericht Cham - Zweigstelle Kötzting - ließ den Geschäftsmann mit seinen Forderungen "abblitzen".

Kaufvertrag war sittenwidrig

Aus dem Kaufvertrag könne der Kläger schon deshalb keine Rechte herleiten, weil der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Der Käufer habe ausschließlich das Ziel verfolgt, sich ohne großes Risiko über Geschwin­dig­keits­be­schrän­kungen und damit über geltendes Recht hinwegsetzen zu können. Im praktischen Ergebnis habe der Kauf somit der Vorbereitung oder Förderung rechtswidriger Handlungen gedient.

Auf die Rechtsauskunft des Händlers, die Verwendung der Folie sei nicht strafbar, sondern nur ordnungswidrig, habe sich der Kläger nicht verlassen dürfen. Schließlich habe er ganz genau gewusst, dass die Manipulation jedenfalls unerlaubt und rechtswidrig war. Auch sei er sich darüber im klaren gewesen, dass er mit dem Kauf und dem Anbringen der Folie ein Risiko einging. Für die Rechtsordnung bestehe kein Anlass, ihm dieses Risiko abzunehmen.

Erläuterungen

Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1996 und erscheint im Rahmen der Reihe "Gut zu wissen".

Quelle: ra-online, Amtsgericht Cham (pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil10209

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI