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Amtsgericht Böblingen Urteil16.11.2006
Vulgäre und ordinäre Beleidigungen einer Polizistin als Hure, Nutte, Schlampe u.a. rechtfertigen Schmerzensgeld von 300 EuroSchwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Polizistin
Wiederholte, besonders vulgäre und ordinäre Beleidigungen einer jungen Polizistin während und nach einer Festnahme, die Ekel und Abscheu erregen, sind einer körperlichen Beleidigung durch Anspucken durchaus vergleichbar und rechtfertigen eine Geldentschädigung, auch wenn keine längerfristigen psychischen Folgen eintreten. Dies entschied das Amtsgericht Böblingen.
Im zugrunde liegenden Fall nahm eine 25-jährige Polizeimeisterin (Klägerin), einen angetrunkenen 20-jährigen Mann (Beklagter) fest, der sich zuvor einer polizeilichen Kontrolle widersetzt hatte. Im Verlauf der Festnahme und danach auf dem Polizeirevier Sindelfingen bedachte der Beklagte die Polizeimeisterin, teilweise zusammen mit ihren Kollegen, mit den folgenden und weiteren, sinngleichen Äußerungen, die er durch entsprechende Hüftbewegungen unterstützte:
- „Hure, Nutte, Schlampe“
- „Ich fick euch alle, ich mach euch kalt, ihr Drecksbullen, ich fick eure Mutter, ihr dreckigen Bullen.“
- „Ich kenne dein Gesicht, du Schlampe, ich mach dich draußen kalt.“-
„Votze, Schlampe, Hure, ich fick dich schön tief in den Arsch.“
- „Bevor ich dich kalt mache, sollst du mir zuschauen, wie ich dich langsam und tief in den Arsch ficke.“
- „Ich fick dich dann tot.“
Gericht: Allgemeines Persönlichkeitsrecht der Polizistin ist schwer beeinträchtigt
Das Amtsgericht Böblingen stellte fest, dass die Polizistin gegen den Beklagten nach §§ 823 I, 2 BGB i.V. mit § 185 StGB und Art. 1 I und 2 I GG Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat. Der Sachverhalt rechtfertige die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Polizistin.
Keine Affekttat
Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine "einfache", aus dem Affekt heraus begangene und letztlich oberflächliche Polizistenbeleidigung handele wie z.B. die Betitelung als "Scheissbulle", die nicht notwendigerweise zu einem Geldentschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung führen müsse, zeige sich an der Intensität der ausgesprochenen Beleidigungen und Drohungen, die außergewöhnlich vulgär und ordinär seien, führte das Gericht aus.
In solchen Äußerungen liegt nach den in jüngster Zeit bestätigten Maßstäben des BVerfG (NJW 2004, S. 2371, 2372) eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Taten bewirkten bei der Frau eine innere Getroffenheit, Ekel und Abscheu.
Bemessung des Schmerzensgeldes
Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung berücksichtigte das Gericht zu Gunsten der Frau die Art und Weise der Tatbegehung und den Umstand, dass die Frau seit der Tat mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten und sich im vorliegenden Zivilverfahren einer erneuten Parteianhörung unterziehen musste. Zu Gunsten des Beklagten sprachen der Umstand, dass der Beklagte sich, wenngleich lapidar und schriftlich, im Ermittlungsverfahren bei der Klägerin entschuldigt hatte und für die Taten strafrechtlich empfindlich belangt wurde, außerdem sein Alter, sein Entwicklungsstand, der das Strafgericht zur Anwendung von Jugendstrafrecht bewogen hatte und seine das Verschulden in gewissen Grenzen mildernde Alkoholisierung.
Insofern erschien dem Gericht eine Geldentschädigung von 300 EUR angemessen, etwas oberhalb der Beträge, wie sie in den Fällen zugesprochen wurden, in denen zu bloß verbalen Polizistenbeleidigungen Tätlichkeiten wie etwa Anspucken hinzutraten (vgl. Landgericht Münster, Urteil v. 29.08.2002 - 8 S 210/02 - = LG Münster NJW-RR 2002, S. 1677). Das Gericht war der Auffassung, dass die vorliegende Art der verbalen Angriffe anderen, "greifbaren" Bezeugungen von Ekel wie Anspucken durchaus vergleichbar seien und keine mildere Behandlung rechtfertigten. Andererseits müsse die Geldentschädigung deutlich unterhalb der Größenordnungen liegen, in denen Persönlichkeitsrechtsverletzungen weitreichende persönliche und berufliche Folgen über längere Zeit in einer großen Öffentlichkeit nach sich gezogen haben, so dass vierstellige Beträge und mehr zuzusprechen wären.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.09.2011
Quelle: ra-online, Amtsgericht Böblingen (vt/pt)
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