21.11.2024
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Amtsgericht Böblingen Urteil16.11.2006

Vulgäre und ordinäre Beleidigungen einer Polizistin als Hure, Nutte, Schlampe u.a. rechtfertigen Schmerzensgeld von 300 EuroSchwerwiegende Beein­träch­tigung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Polizistin

Wiederholte, besonders vulgäre und ordinäre Beleidigungen einer jungen Polizistin während und nach einer Festnahme, die Ekel und Abscheu erregen, sind einer körperlichen Beleidigung durch Anspucken durchaus vergleichbar und rechtfertigen eine Geldent­schä­digung, auch wenn keine längerfristigen psychischen Folgen eintreten. Dies entschied das Amtsgericht Böblingen.

Im zugrunde liegenden Fall nahm eine 25-jährige Polizei­meisterin (Klägerin), einen angetrunkenen 20-jährigen Mann (Beklagter) fest, der sich zuvor einer polizeilichen Kontrolle widersetzt hatte. Im Verlauf der Festnahme und danach auf dem Polizeirevier Sindelfingen bedachte der Beklagte die Polizei­meisterin, teilweise zusammen mit ihren Kollegen, mit den folgenden und weiteren, sinngleichen Äußerungen, die er durch entsprechende Hüftbewegungen unterstützte:

- „Hure, Nutte, Schlampe“

- „Ich fick euch alle, ich mach euch kalt, ihr Drecksbullen, ich fick eure Mutter, ihr dreckigen Bullen.“

- „Ich kenne dein Gesicht, du Schlampe, ich mach dich draußen kalt.“-

„Votze, Schlampe, Hure, ich fick dich schön tief in den Arsch.“

- „Bevor ich dich kalt mache, sollst du mir zuschauen, wie ich dich langsam und tief in den Arsch ficke.“

- „Ich fick dich dann tot.“

Gericht: Allgemeines Persön­lich­keitsrecht der Polizistin ist schwer beeinträchtigt

Das Amtsgericht Böblingen stellte fest, dass die Polizistin gegen den Beklagten nach §§ 823 I, 2 BGB i.V. mit § 185 StGB und Art. 1 I und 2 I GG Anspruch auf Geldent­schä­digung wegen Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen hat. Der Sachverhalt rechtfertige die Annahme einer schwerwiegenden Beein­träch­tigung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Polizistin.

Keine Affekttat

Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine "einfache", aus dem Affekt heraus begangene und letztlich oberflächliche Polizis­ten­be­lei­digung handele wie z.B. die Betitelung als "Scheissbulle", die nicht notwen­di­gerweise zu einem Geldent­schä­di­gungs­an­spruch wegen Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung führen müsse, zeige sich an der Intensität der ausgesprochenen Beleidigungen und Drohungen, die außergewöhnlich vulgär und ordinär seien, führte das Gericht aus.

In solchen Äußerungen liegt nach den in jüngster Zeit bestätigten Maßstäben des BVerfG (NJW 2004, S. 2371, 2372) eine besonders schwere Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung. Die Taten bewirkten bei der Frau eine innere Getroffenheit, Ekel und Abscheu.

Bemessung des Schmer­zens­geldes

Bei der Bemessung der Höhe der Geldent­schä­digung berücksichtigte das Gericht zu Gunsten der Frau die Art und Weise der Tatbegehung und den Umstand, dass die Frau seit der Tat mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten und sich im vorliegenden Zivilverfahren einer erneuten Parteianhörung unterziehen musste. Zu Gunsten des Beklagten sprachen der Umstand, dass der Beklagte sich, wenngleich lapidar und schriftlich, im Ermitt­lungs­ver­fahren bei der Klägerin entschuldigt hatte und für die Taten strafrechtlich empfindlich belangt wurde, außerdem sein Alter, sein Entwick­lungsstand, der das Strafgericht zur Anwendung von Jugend­s­trafrecht bewogen hatte und seine das Verschulden in gewissen Grenzen mildernde Alkoholisierung.

Insofern erschien dem Gericht eine Geldent­schä­digung von 300 EUR angemessen, etwas oberhalb der Beträge, wie sie in den Fällen zugesprochen wurden, in denen zu bloß verbalen Polizis­ten­be­lei­di­gungen Tätlichkeiten wie etwa Anspucken hinzutraten (vgl. Landgericht Münster, Urteil v. 29.08.2002 - 8 S 210/02 - = LG Münster NJW-RR 2002, S. 1677). Das Gericht war der Auffassung, dass die vorliegende Art der verbalen Angriffe anderen, "greifbaren" Bezeugungen von Ekel wie Anspucken durchaus vergleichbar seien und keine mildere Behandlung rechtfertigten. Andererseits müsse die Geldent­schä­digung deutlich unterhalb der Größenordnungen liegen, in denen Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen weitreichende persönliche und berufliche Folgen über längere Zeit in einer großen Öffentlichkeit nach sich gezogen haben, so dass vierstellige Beträge und mehr zuzusprechen wären.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Böblingen (vt/pt)

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