15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 6582

Drucken
Beschluss15.08.2008Wahlprüfungsgericht beim Hessischen LandtagWPG 17/1 - 2008
ergänzende Informationen

Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag Beschluss15.08.2008

Wahl zum Hessischen Landtag vom 27. Januar 2008 ist gültig17 Einsprüche - u.a. gegen den Wahlcomputer - abgewiesen

Das Wahlprü­fungs­gericht beim Hessischen Landtag hat die Wahl zum Hessischen Landtag am 27. Januar 2008 für gültig erklärt.

Das Wahlprü­fungs­gericht beim Hessischen Landtag besteht aus den beiden höchsten Richtern des Landes Hessen, dem Präsidenten des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs Reimers als Vorsitzendem, dem Präsidenten des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main Aumüller sowie den drei am 5. April 2008 vom Hessischen Landtag zu Mitgliedern des Wahlprü­fungs­ge­richts gewählten Abgeordneten Hofmann, Schmitt und Wintermeyer, wobei der Abgeordnete Schmitt wegen Verhinderung am 15. August 2008 durch die Abgeordnete Faeser als gewähltes stell­ver­tre­tendes Mitglied vertreten worden ist. Trotz seiner historisch bedingten Bezeichnung ist das Wahlprü­fungs­gericht kein Gericht, sondern ein parla­men­ta­risches Wahlprü­fungsorgan. Seine Aufgabe ist es, zu prüfen, ob es bei der Landtagswahl zu Unregel­mä­ßig­keiten im Wahlverfahren oder strafbaren bzw. gegen die guten Sitten verstoßenden Handlungen gekommen ist, die Auswirkungen auf die Sitzverteilung im Landtag gehabt haben.

In seinem Beschluss vom 15. August 2008 stellt das Wahlprü­fungs­gericht fest, dass die 17 gegen die Landtagswahl vom 27. Januar 2008 gerichteten Einsprüche erfolglos bleiben müssen: Soweit Einspruchs­führer geltend machen, dass Regelungen der Hessischen Verfassung, des Landtags­wahl­ge­setzes, der Landes­wahl­ordnung sowie der Wahlge­rä­te­ver­ordnung mit höherrangigem Recht unvereinbar seien, sei dem Wahlprü­fungs­gericht eine Überprüfung der Gültigkeit der Wahl verwehrt. Als parla­men­ta­risches Wahlprü­fungsorgan habe es keine sog. Verwer­fungs­kom­petenz, d. h. keine Befugnis, eine gesetzliche Regelung als ungültig zu verwerfen. Ebenso habe das Wahlprü­fungs­gericht keine sog. Vorla­ge­be­rech­tigung, könne also eine Klärung der Gültigkeit bzw. Ungültigkeit gesetzlicher Regelungen durch den Staats­ge­richtshof des Landes Hessen bzw. durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht herbeiführen. Folge sei, dass die gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 erhobenen Einwände für das Wahlprü­fungs­gericht unbeachtlich seien und erst vom Hessischen Staats­ge­richtshof überprüft werden könnten. Der Einsatz von Wahlcomputern bei Wahlen zum Hessischen Landtag sei nämlich sowohl generell als auch konkret für die bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 zum Einsatz gelangten Wahlcomputer eines bestimmten Typs gesetzlich zugelassen, und zwar durch das Landtags­wahl­gesetz und die Wahlge­rä­te­ver­ordnung.

Die von den Einspruchs­führern vorgebrachten Beanstandungen, die nicht die gesetzlichen Grundlagen, sondern die ordnungsgemäße Durchführung der Landtagswahl beträfen, hätten entweder keinen Wahlfehler begründet oder nur Wahlfehler, die keine Auswirkung auf das Wahlergebnis gehabt hätten.

Das Auftreten des Oberbür­ger­meisters der Stadt Kassel auf einer Wahlver­an­staltung der SPD am 15. Januar 2008 stelle keinen Wahlfehler durch ein partei­er­grei­fendes Einwirken einer staatlichen Stelle auf die Bildung des Wählerwillens dar. Die Teilnahme eines Oberbür­ger­meisters an einer Wahlkampf­ver­an­staltung der Partei, der er angehöre, sowie im Rahmen einer solchen Veranstaltung erfolgte Meinung­s­äu­ße­rungen des Oberbür­ger­meisters seien grundsätzlich von den Kommu­ni­ka­ti­o­ns­grund­rechten, die dem Oberbür­ger­meister als Privatperson wie jedem Bürger zustünden, gedeckt. Für ein Auftreten in amtlicher Eigenschaft fehle jeder Anhaltspunkt. Die Amtsbezeichnung "Oberbür­ger­meister" dürfe der Oberbür­ger­meister der Stadt Kassel auch außerhalb des Dienstes führen. Zudem habe er auf der Wahlkampf­ver­an­staltung der SPD ausdrücklich darauf hingewiesen, sich als Bürger, nicht in amtlicher Eigenschaft als Oberbür­ger­meister, zu äußern.

Soweit das Fehlen von Sicher­heits­vor­keh­rungen gegen die Teilnahme von Nichtdeutschen an der Landtagswahl, insbesondere von Türken, die die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit durch Rückerwerb ihrer türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit wieder verloren hätten, gerügt worden sei, begründe auch dies keinen Wahlfehler. Der Gemein­de­vorstand bzw. Magistrat, der die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit von Personen vor deren Eintragung in das Wähler­ver­zeichnis zu kontrollieren habe, sei dieser Aufgabe durch einen Abgleich mit den im Melderegister eingetragenen Daten zur Staats­an­ge­hö­rigkeit grundsätzlich gerecht geworden. Für eine Teilnahme von Nichtdeutschen an der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 fehle es zudem an greifbaren Anhaltspunkten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine solche unbefugte Wahl strafbar sei und die hessische Verwaltung seit dem Jahr 2005 umfangreiche Maßnahmen ergriffen habe, diejenigen Personen zu ermitteln, die die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit durch die Wiederannahme einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit verloren hätten.

Film- und Fotoverbote in Wahllokalen begründeten gleichfalls keinen Wahlfehler. Die Öffentlichkeit bei der Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses sei vom Landtags­wahl­gesetz und der Landes­wahl­ordnung als unmittelbare Öffentlichkeit ausgestaltet, was bedeute, dass während der Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses jedermann zum Wahlraum Zutritt habe, soweit dies ohne Störung des Wahlgeschäfts möglich sei. Eine mittelbare Öffentlichkeit, d. h. die Herstellung von Publizität mittels Film-, Foto- oder Rundfunk­auf­nahmen, sähen die hessischen Wahlrechts­normen nicht vor.

Zwar sei es zu Wahlfehlern gekommen, wie der vorzeitigen Übergabe von Wahlcomputern an Mitglieder des Wahlvorstandes in einer Gemeinde sowie regelmäßig wenige Minuten währenden Verweigerungen des Zutritts von Wahlbeobachtern zu Wahllokalen. Diesen Wahlfehlern fehle jedoch die Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl. Die Erheblichkeit eines Wahlfehlers für den Ausgang der Wahl sei nur zu bejahen, wenn nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit bestehe, dass der festgestellte Wahlfehler auf das Wahlergebnis und damit auf die Sitzverteilung im Parlament von Einfluss gewesen sei. Diese Feststellung könne hinsichtlich der vorliegenden Wahlfehler nicht getroffen werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag vom 25.08.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss6582

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI