21.11.2024
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Dokument-Nr. 31315

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Beschluss20.01.2022Verwaltungsgerichtshof Mannheim1 S 3846/21
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Verwaltungsgerichtshof Mannheim Beschluss20.01.2022

2G-Regelung an Hochschulen in Baden-Württemberg: Verwaltungs­gerichtshof erklärt Corona-Verordnung in Teilen für rechtswidrig2G-Regelung für Studierende ab 24.01.2022 außer Vollzug - "Einfrieren der Alarmstufe II" für nicht-immunisierte Studierende rechtswidrig

Der Verwaltungs­gerichtshof (VGH) hat mit Beschluss vom 20. Januar 2022 § 2 Abs. 5 der Corona-Verordnung Studienbetrieb des Wissenschafts­ministeriums mit Ablauf des 23. Januar 2022 außer Vollzug gesetzt. Denn das „Einfrieren der Alarmstufe II“ durch die Corona-Verordnung der Landesregierung, das für nicht-immunisierte Studierende zum weitgehenden Ausschluss von Präsenz­veranstaltungen führe, sei voraussichtlich rechtswidrig.

Der Antragsteller, der bereits gegen eine frühere 2G-Regelung für Hochschulen geklagt hatte, wendet sich mit seinem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbe-trieb des Wissen­schafts­mi­nis­teriums vom 11. Januar 2022. Nach dieser Vorschrift sind nicht-immunisierte Studierende in der Alarmstufe II - mit der Ausnahme von Praxis­ver­an­stal­tungen, Prüfungen und dem musikalischen und künstlerischen Lehrbetrieb - von Präsenz­ver­an­stal­tungen ausgeschlossen. Die Hochschulen müssen für sie die Studierbarkeit der Studiengänge sicherstellen. In der Vorschrift ist ausdrücklich vorgesehen, dass das sog. „Einfrieren der Alarmstufe II“ durch § 1 Abs. 2 Satz 2 der CoronaVO der Landesregierung auch für den Studienbetrieb gilt.

Der Antragsteller, der nicht gegen COVID-19 geimpft ist und Pharmazie an einer Hochschule im Baden-Württemberg studiert, sieht sich durch § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb in seinem Recht auf Ausbil­dungs­freiheit verletzt und wendet sich auch gegen das „Einfrieren der Alarmstufe II“. Die Landesregierung (Antragsgegner) stütze sich für das „Einfrieren der Alarmstufe II“ zu Unrecht auf die Ausbreitung der Omikron-Variante.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entge­gen­ge­treten. § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb sei rechtmäßig. Durch die Ausbreitung der hochan­ste­ckenden Omikron-Variante stiegen derzeit die Infek­ti­o­ns­zahlen mit dem SARS-CoV-2-Virus trotz der bestehenden Schutzmaßnahmen sehr stark an. Durch den Anstieg der Anzahl an Neuinfektionen, aber auch durch den Anstieg an COVID-19-Erkrankungen beim medizinischen Personal komme es zunehmend zu einer Gefährdung der öffentlichen Gesund­heits­ver­sorgung. Daher sei das „Einfrieren der Alarmstufe II“ rechtmäßig.

Beschluss des VGH

Der 1. Senat des VGH hat § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb (in der Fassung vom 11. Januar 2022) mit Ablauf des 23. Januar 2022 außer Vollzug gesetzt. Zur Begründung führt er aus: Soweit § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb für die inziden­zu­nab­hängige Alarmstufe II im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO („eingefrorene Alarmstufe II“) Geltung beanspruche, sei die Vorschrift voraussichtlich rechtswidrig. Eine Vorschrift, die ausdrücklich „unabhängig“ von der 7-Tage-Hospi­ta­li­sierungs- Inzidenz weitreichende Zugangs­be­schrän­kungen für nicht-immunisierte Personen normiere, stehe mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 28 a Abs. 3 Satz 3 IfSG nicht in Einklang. Erhebliche Grund­rechts­be­schrän­kungen könnten nicht abgekoppelt von der 7-Tage-Hospi­ta­li­sierungs-Inzidenz angeordnet werden. Die Beschränkung des Zugangs zu Präsenz­ver­an­stal­tungen für Studierende sei keine Maßnahme des präventiven Infek­ti­o­ns­schutzes nach § 28 a Abs. 3 Satz 2 IfSG. Der Gesetzgeber sei ausdrücklich davon ausgegangen, dass zu den Maßnahmen des präventiven Infek­ti­o­ns­schutzes nach § 28 a Abs. 3 Satz 2 IfSG nur „nieder­schwellige“ Maßnahmen gehörten. Eine Vorschrift, die nicht-immunisierte Studierende durch eine 2G-Regelung vom Zutritt zu universitären Veranstaltungen in weitem Umfang ausschließe, begründe hingegen einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen auf Berufs­aus­bil­dungs­freiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Der Einordnung als „weitergehende Schutzmaßnahme“ im Sinne von § 28 a Abs. 3 Satz 3 IfSG - und nicht lediglich als „Maßnahme zum präventiven Infek­ti­o­ns­schutz“ im Sinne von § 28 a Abs. 3 Satz 2 IfSG - stehe auch nicht entgegen, dass der Bundes­ge­setzgeber in § 28 a Abs. 3 Satz 2 IfSG auf § 28 a Abs. 1 Nr. 2a IfSG verweise, der die „Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises“ ermögliche. Denn dieser Verweis beziehe sich lediglich auf die Pflicht zur Nachweisvorlage, nicht aber zu der davon zu unter­schei­denden, wesentlich eingriff­sin­ten­siveren Maßnahme „an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs“, die auch der Bundes­ge­setzgeber in § 28 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG differenziert betrachte und der er offensichtlich ein schwer­wie­genderes Gewicht beimesse.

Es handele sich daher um eine weitergehende Schutzmaßnahme nach § 28 a Abs. 3 Satz 3 IfSG. Der Gesetzgeber gebe in § 28 a Abs. 3 Satz 4 IfSG ausdrücklich vor, dass wesentlicher Maßstab für solche weitergehenden Schutzmaßnahmen insbesondere die 7-Tage-Hospi­ta­li­sierungs-Inzidenz sei. Mit dieser Vorgabe sei § 2 Abs. 5 Satz 1 CoronaVO Studienbetrieb nicht vereinbar, soweit er auf § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaVO verweise. Denn eine Verord­nungs­re­gelung, die erklärtermaßen „unabhängig“ von der 7-Tage-Hospi­ta­li­sierungs-Inzidenz Geltung beanspruche, sich also von der Entwicklung dieser Inzidenz abkoppele, sei mit der Vorgabe in § 28 a Abs. 3 Satz 4 IfSG, dass die Inzidenz der wesentliche Maßstab „ist“, nicht in Einklang zu bringen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, ra-online (pm/pt)

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