21.11.2024
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Dokument-Nr. 7036

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Urteil21.11.2008Verfassungsgerichtshof SachsenVf. 95-I-08, Vf. 96-I-08
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Verfassungsgerichtshof Sachsen Urteil21.11.2008

Teilerfolg für Abgeordnete des Sächsischen Landtages im Streit um die Regelung zum Aufwen­dungs­ersatz für die Beschäftigung von MitarbeiternKeine Versagung des Aufwen­dungs­ersatz bei Eintrag in Führungszeugnis

Der Verfas­sungs­ge­richtshof des Freistaates Sachsen hat festgestellt, dass der Sächsische Landtag die Antragstellerin mit dem Beschluss zur Neufassung des Sächsischen Abgeord­ne­ten­ge­setzes dadurch in ihren Statusrechten als Abgeordnete verletzt hat, dass nach der Neuregelung jede in einem für Mitarbeiter vorzulegenden Führungszeugnis enthaltene Eintragung wegen der vorsätzlichen Begehung einer Straftat den Aufwen­dungs­ersatz für deren Beschäftigung ausschließt. Die darüber hinausgehenden Anträge, insbesondere soweit diese gegen den Landtags­prä­si­denten gerichtet waren, wurden hingegen abgelehnt.

Am 7. November 2007 beschloss der Landtag eine Änderung von § 6 Abs. 4 des Abgeord­ne­ten­ge­setzes (AbgG), wonach Abgeordneten ihre Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern nur dann ersetzt werden, wenn der Landtags­ver­waltung ein Führungszeugnis des Mitarbeiters vorgelegt wird, das keine Eintragung wegen der vorsätzlichen Begehung einer Straftat enthält. Für einen der Mitarbeiter der Antragstellerin stellte die Landtags­ver­waltung die Aufwen­dungs­er­satz­zah­lungen ein, da sich in dessen Führungszeugnis eine entsprechende Eintragung befand.

Die Antragstellerin begehrte festzustellen, dass der Landtag sie mit der Neufassung der Aufwen­dungs­er­satz­re­gelung und der Landtags­prä­sident sie mit dem Vollzug dieser Neuregelung in ihren Abgeord­ne­ten­rechten verletzt habe.

Die Anträge hatten teilweise Erfolg. Im Hinblick auf den gegen den Landtag gerichteten Antrag stellte der Verfas­sungs­ge­richtshof fest, dass der Beschluss über die Neufassung von § 6 Abs. 4 AbgG die Antragstellerin in ihren verfas­sungs­recht­lichen Statusrechten als Abgeordnete verletze. Art. 39 Abs. 3 Satz 2 SächsVerf enthalte einen allgemeinen Grundsatz der freien Mandatsausübung. Mit diesem sei eine Unterstützung durch Mitarbeiter nur vereinbar, wenn der Abgeordnete frei darüber befinden könne, ob und gegebenenfalls welcher Mitarbeiter er sich bediene. Beschränkungen dieser Freiheit seien nur zulässig, soweit sie dem Schutz berechtigter parla­men­ta­rischer Belange dienten und den Grundsätzen der Erfor­der­lichkeit und Verhält­nis­mä­ßigkeit entsprächen.

Die Neufassung von § 6 Abs. 4 AbgG lasse sich mit diesen Grundsätzen nicht vereinbaren. Von der Ausschluss­re­gelung gehe ein finanzieller Zwang aus, der die Freiheit der Abgeordneten bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter mindere. Zwar lägen der Neufassung legitime gesetz­ge­be­rische Ziele – nämlich die Sicherung des Parla­ments­be­triebs und der Vertrau­ens­wür­digkeit des Landtages – zugrunde; die Beschränkung des Entschä­di­gungs­an­spruchs sei jedoch sachlich nicht geboten, soweit sie bei jedem Führungs­zeug­ni­seintrag wegen vorsätzlicher Begehung einer Straftat den Aufwen­dungs­ersatz zwingend ausschließt. Dies sei zum Schutz der Integrität des Landtages sowie seiner Arbeits­fä­higkeit weder erforderlich noch angemessen. Die Regelung erlaube nicht die gebotene einzel­fa­ll­be­zogene Würdigung des Gefähr­dungs­po­tenzials und eine daran anknüpfende Abwägung mit der freien Mandatsausübung.

Demgegenüber liege ein Verfas­sungs­verstoß nicht bereits darin, dass der Aufwen­dungs­ersatz überhaupt von der Vorlage eines Führungs­zeug­nisses abhängig gemacht werde. Die Einsichtnahme in das Führungszeugnis sei Voraussetzung dafür, dass die Landtags­ver­waltung prüfen könne, ob ein Mitarbeiter sich strafbar gemacht habe und angesichts der von ihm verübten Straftat für eine Tätigkeit im Rahmen des parla­men­ta­rischen Betriebes untragbar erscheine.

Die gegen den Landtags­prä­si­denten gerichteten Anträge verwarf der Verfas­sungs­ge­richtshof als unzulässig. Der Präsident werde beim Vollzug einfach-gesetzlicher Entschä­di­gungs­re­ge­lungen als Verwal­tungs­behörde tätig. Er nehme keine ihm verfas­sungs­rechtlich zugewiesenen Funktionen wahr, sodass der Rechtsweg zum Verfas­sungs­ge­richtshof im Organ­streit­ver­fahren nicht eröffnet sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VerfGH Sachsen vom 21.11.2008

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