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Dokument-Nr. 5216

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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil27.11.2007

"Partei­en­privileg" steht in wehrhafter Demokratie Aufklärung über Recht­s­ex­tre­mismus nicht entgegenOrganklage der NPD gegen Broschüre zurückgewiesen

Der Verfas­sungs­ge­richtshof Rheinland-Pfalz hat die gegen den Minister des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz gerichtete Organklage sowie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Landesverbands Rheinland-Pfalz der Natio­na­l­de­mo­kra­tischen Partei Deutschlands (NPD) zurückgewiesen.

Die NPD hatte sich in erster Linie gegen die Verbreitung der Broschüre "Kommunen gegen Recht­s­ex­tre­mismus" gewandt. In ihr informiert der Minister über mögliche Maßnahmen auf kommunaler Ebene, u.a. gegen die Versuche der NPD und weiterer Gruppierungen, Immobilien zu kaufen sowie Jugendliche durch Musik ("Schulhof-CDs") anzuwerben. Darüber hinaus sollte dem Minister untersagt werden, sich an die Kommunen des Landes mit dem Anliegen zu wenden, sie zu einem "Handeln gegen Rechts" bzw. "Handeln gegen Recht­s­ex­tre­misten" anzuhalten. Die NPD machte eine Verletzung ihrer verfas­sungs­mäßigen Rechte als nicht verbotene politische Partei geltend und rügt darüber hinaus einen Verstoß gegen das Gleich­be­hand­lungsgebot im Verhältnis zu den übrigen Parteien.

Zur Begründung der Entscheidung führte der Präsident des Verfas­sungs­ge­richtshofs Prof. Dr. Karl-Friedrich Meyer aus:

"Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Organklage. Die Klage ist aber jedenfalls in der Sache unbegründet.

1. Was zunächst die Zulässigkeit der Klage angeht, so kann die Antragstellerin als politische Partei die behauptete Verletzung ihres aus Art. 21 des Grundgesetzes - GG - folgenden verfas­sungs­recht­lichen Status durch ein Verfas­sungsorgan grundsätzlich im Wege des Organstreits vor dem Verfas­sungs­ge­richtshof geltend machen. Art. 21 GG, der Parteien als verfas­sungs­rechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkennt, stellt nämlich zugleich einen ungeschriebenen Bestandteil der Landes­ver­fassung dar.

Die Verfas­sungs­organe des Landes sind hiernach nicht befugt, die Antragstellerin an der Ausübung ihrer verfas­sungs­kräftig verbürgten Rechte zu hindern. Denn gemäß Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG kann nur das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in dem dafür vorgesehenen Verfahren die verbindliche Feststellung treffen, die Partei sei verfas­sungs­widrig.

Dementsprechend kann die Antragstellerin die von ihr als Partei wahrgenommenen Tätigkeiten im Rechtssinne ungehindert ausüben. Insbesondere zieht die in erster Linie beanstandete Broschüre des Ministeriums des Innern und für Sport keine rechtlichen Auswirkungen nach sich, welche die NPD unmittelbar betreffen. Es bleibt nämlich der autonomen Entscheidung der Kommunen überlassen, ob sie in ihrem Zustän­dig­keits­bereich konkrete Maßnahmen gegen die Antragstellerin ergreifen. Gegen solche Maßnahmen stünde der NPD oder ihren Mitgliedern der Rechtsweg zu den Fachgerichten offen.

2. Ob unter diesen Umständen die Antragsbefugnis der NPD im vorliegenden Organ­streit­ver­fahren gegeben ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Der Verfas­sungs­ge­richtshof lässt dies jedoch dahinstehen. Der Antrag ist nämlich jedenfalls unbegründet.

Als Verfas­sungsorgan hat grundsätzlich die Landesregierung die Aufgabe zu erfüllen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu wahren und aktiv für sie einzutreten. Dieser Schutzauftrag folgt aus der Grund­ent­scheidung der Landes­ver­fassung für eine streitbare und wehrhafte Demokratie. Die Landes­ver­fassung lässt wiederholt und unmittelbar deutlich werden, dass der Schutz der Verfassung fundamentaler Auftrag aller staatlichen Organe ist. Daher obliegt diese gesamt­s­taatliche Aufgabe auch dem Minister des Innern und für Sport als selbständigem Verfas­sungsorgan.

In Wahrnehmung dieses Schutzauftrags kann sich der Minister des Innern und für Sport auch des Mittels der öffentlichen Information bedienen. Dabei ist er grundsätzlich nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitgliedern, also auch von Parteien, wertend als extremistisch und verfas­sungs­ge­fährdend zu beurteilen. Ebenso wenig ist er gehindert, im Anschluss an solche Wertungen Handlungs­mög­lich­keiten - etwa für die Kommunen - aufzuzeigen. Die Verteidigung von Grundsätzen und Wertvorgaben der Landes­ver­fassung durch Organe und Funktionsträger des Staates kann nämlich auch durch Informationen an die Öffentlichkeit und Teilhabe an der öffentlichen Ausein­an­der­setzung erfolgen. Das "Partei­en­privileg" des Art. 21 GG und der Landes­ver­fassung stehen dem nicht entgegen.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Befugnis der Staatsorgane, negative Werturteile über Ziele und Betätigung nicht verbotener politischer Parteien abzugeben, keinerlei verfas­sungs­rechtliche Schranken gesetzt wären. Das Recht politischer Parteien auf Chancen­gleichheit verbietet vielmehr staatliche Maßnahmen, die den Anspruch einer Partei auf die Gleichheit ihrer Wettbe­wer­b­s­chancen willkürlich beeinträchtigen. Danach wäre es unzulässig, eine vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht verbotene Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfas­sungs­widriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn diese Wertung auf sachfremden Erwägungen beruhte. Dies ist hier indessen nicht der Fall.

Nach der im Landes­ver­fas­sungs­schutz­bericht 2006 des Ministeriums des Innern und für Sport wiedergegebenen Einschätzung handelt es sich bei der NPD um eine unverhohlen natio­na­lis­tische Partei, die im recht­s­ex­tre­mis­tischen Spektrum zu den aggressivsten Organisationen zählt. Dieser Bewertung entsprechen vergleichbare Feststellungen im Verfas­sungs­schutz­bericht 2006 des Bundes­mi­nis­teriums des Innern. Darüber hinaus schildert der Landes­ver­fas­sungs­schutz­bericht 2006, Ausgangspunkt der Propaganda der NPD sei oftmals die Gemeinde- und Kreisebene. Die Partei versuche durch regionale Verankerung den Einzug in weitere Parlamente vorzubereiten und setze dabei auf lokale Akzeptanz.

Gegen diesen Inhalt der zitierten Verfas­sungs­schutz­be­richte ist die Antragstellerin gerichtlich nicht vorgegangen. Er rechtfertigt die Erwähnung der NPD in der fraglichen Broschüre als Beispiel für recht­s­ex­tre­mis­tische Aktivitäten. Zugleich trägt er die Absicht der Landesregierung, sich mit einer solchen Infor­ma­ti­o­ns­schrift speziell an die Kommunen des Landes zu wenden. Ein Tätigwerden der Gemeinden des Landes bleibt hingegen deren eigen­ver­ant­wort­licher Entscheidung überlassen.

Die in der Broschüre genannten Beispiele für das Auftreten der Antragstellerin - wie deren Aktivitäten auf dem Immobilienmarkt und die Verbreitung sog. "Schulhof-CDs" - werden ebenfalls im Landes­ver­fas­sungs­schutz­bericht 2006 erwähnt. Soweit in diesen Zusammenhängen in der Broschüre Lebens­sach­verhalte wiedergegeben werden, sind sie sachlich zutreffend.

Unter diesen Umständen fehlt es an Ansatzpunkten dafür, die in der Broschüre enthaltenen Werturteile als willkürlich zu qualifizieren. Die Broschüre ist im Übrigen in Gesamt­dar­stellung, Ausdrucksweise und Form sachlich gehalten. Insbesondere ist mit ihr keine Werbung zu Gunsten einer bestimmten anderen Partei verbunden. Nach Auffassung des Verfas­sungs­ge­richtshofs bietet die Broschüre selbst auch weder Hinweise noch Anreize zu rechtswidrigem Verhalten gegenüber der Antragstellerin. Soweit ein solches Verhalten im Einzelfall vorkommen sollte, kann dagegen fachge­richt­licher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden. Hiernach ist auch das hilfsweise geäußerte Begehren, einzelne, die NPD namentlich betreffende Passagen zu streichen, unbegründet.

3. Mit der Zurückweisung der Organklage erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 11/07 des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 27.11.2007

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