21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 31186

Drucken
ergänzende Informationen

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss13.12.2021

Anspruch auf Herausgabe von Wartungs­un­terlagen eines Geschwin­digkeits­mess­gerätesVerfassungs­beschwerde erfolgreich

Der Verfassungs­gerichts­hof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat einer Verfassungs­beschwerde stattgegeben, der eine Verurteilung wegen eines Geschwin­digkeits­verstoßes zugrunde lag.

Der Beschwer­de­führer war Betroffener in einem Bußgeld­ver­fahren, in dem ihm eine Geschwin­dig­keits­über­schreitung vorgeworfen wurde. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen Messgerätes des Typs PoliScan Speed M1 der Firma Vitronic. Nachdem seine Verteidigerin Einsicht in die Bußgeldakte erhalten hatte, beantragte sie im Laufe des Verfahrens, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich, die Überlassung weiterer Dokumente. Gefordert wurde unter anderem die Vorlage der Wartungs- und Instand­set­zungs­un­terlagen des Messgeräts, die nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab und verurteilte den Beschwer­de­führer wegen des Geschwin­dig­keits­ver­stoßes zu einer Geldbuße von 140 Euro. Sein bei dem Oberlan­des­gericht Koblenz gestellter Antrag auf Zulassung der Rechts­be­schwerde blieb ohne Erfolg.

Beschwer­de­führer machte Verstoß gegen Grundrechte der Landes­ver­fassung geltend

Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde wandte sich der Beschwer­de­führer sowohl gegen das Urteil des Amtsgerichts als auch gegen den Beschluss des Oberlan­des­ge­richts. Er machte unter anderem geltend, die Nicht­über­lassung der Wartungs- und Instand­set­zungs­un­terlagen des Messgeräts sowie bestimmter Messdaten - weiter gefordert wurden die Falldatensätze der gesamten Messreihe einschließlich der Statistikdatei und Case-List - verstoße gegen Grundrechte der Landes­ver­fassung.

VerfGH: "Waffen­gleichheit" zwischen Bußgeldbehörde und Betroffenem

Die Verfas­sungs­be­schwerde hatte Erfolg. Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlan­des­ge­richts verletzten den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz). Aus dieser Gewährleistung, die sich mit den entsprechenden Vorgaben des Grundgesetzes decke, folge im Grundsatz das Recht des Betroffenen, in tatsächlich vorhandene Unterlagen über Messgerät und Geschwin­dig­keits­messung Einsicht zu nehmen. Auf diese Weise werde dem auch von dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht in jüngerer Zeit betonten Gedanken der "Waffen­gleichheit" zwischen Bußgeldbehörde und Betroffenem Rechnung getragen und diesem die Möglichkeit eröffnet, selbst nach Entlas­tungs­mo­menten in Gestalt von Fehlern im Messverfahren zu suchen.

Kein unbegrenzter Infor­ma­ti­o­ns­an­spruch

Allerdings bestehe ein Infor­ma­ti­o­ns­an­spruch nicht unbegrenzt. Er setze zum einen voraus, dass der Betroffene die begehrten Informationen hinreichend konkret benenne. Zum anderen sei erforderlich, dass die Dokumente überhaupt einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungs­wid­rig­kei­ten­vorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufwiesen. Zudem dürften dem Anspruch keine gewichtigen verfas­sungs­rechtlich verbürgten Interessen wie beispielsweise die Funkti­o­ns­tüch­tigkeit der Rechtspflege oder schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen. Im Falle der vom Beschwer­de­führer begehrten Einsicht in die Wartungs- und Instand­set­zungs­un­terlagen des Messgeräts seien die Voraussetzungen eines Einsichtsrechts erfüllt.

Weitere aufgeworfene Frage konnten dahinstehen

Da die Verfas­sungs­be­schwerde bereits wegen der verweigerten Einsichtnahme in die genannten Unterlagen erfolgreich war, könne die vom Beschwer­de­führer weiter aufgeworfene Frage dahinstehen, ob das Messergebnis wegen der vom Messgerät nicht gespeicherten sog. Rohmessdaten verwertbar gewesen sei.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss31186

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI