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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss05.07.2005
Land verletzt Schutzpflicht nicht, wenn er nicht generell Anbringung von Rauchwarnmeldern in Altbauten anordnetLandesgesetzgeber muss Rauchwarnmelder in Altbauten nicht vorschreiben
Der Landesgesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Anbringung von Rauchwarnmeldern auch in Altbauten generell anzuordnen.
Das Land Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland Ende 2003 mit § 44 Abs. 8 der Landesbauordnung die gesetzliche Verpflichtung eingefügt, in Schlafräumen und Kinderzimmern sowie Fluren von Neubauten Rauchwarnmelder anzubringen.
Die 6-jährige Beschwerdeführerin, die von ihrer Mutter vertreten wird, wohnt in einer bereits 1979 erbauten Wohnung. Da dort nach der Landesbauordnung keine Rauchwarnmelder installiert werden müssen, hat sie Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihr Leben im Falle eines Brandes und der damit verbundenen Rauchentwicklung nicht geschützt sei. Nach der Feuerwehrstatistik blieben nach Ausbruch eines Brandes lediglich vier Minuten zur Flucht. Diese Zeit könnte genutzt werden, würden Rauchwarnmelder sofort Alarm schlagen. Dadurch, dass in Altbauten Rauchwarnmelder nicht generell vorgeschrieben seien, habe der Staat seine verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit verletzt. Insbesondere Kinder seien ohne Rauchwarnmelder großen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Deshalb würden die Kinder, die in einer Altbauwohnung lebten, willkürlich benachteiligt. Der Bestandschutz für Altbauten könne die unzureichende gesetzliche Regelung nicht rechtfertigen. Auch sei der Aufwand für die Überwachung der Installation von Rauchwarnmeldern in Altbauten zum Schutze des Lebens von Kindern zumutbar.
Der Verfassungsgerichtshof wies diese Verfassungsbeschwerde zurück. Der Vorsitzende führte zur Begründung aus:
"Aus den Grundrechten der Beschwerdeführerin ergibt sich keine Pflicht des Landesgesetzgebers, auch für bestehende Wohngebäude die Installation von Rauchwarnmeldern vorzuschreiben.
1. Soweit die Landesverfassung Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf Gleichbehandlung gewährleistet, folgt daraus auch eine Pflicht des Staates, sich gegenüber Gefahren schützend für diese Grundrechte einzusetzen.
Wie diese Schutzpflicht im Bereich der Gesetzgebung erfüllt wird, ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers selbst. Ihm steht bei der Erfüllung dieser Pflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.
Gemessen daran ist die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Gesetzgebers, für den vorhandenen Bestand von ca. 1,9 Millionen Wohnungen im Land das Anbringen von Rauchwarnmeldern gesetzlich nicht anzuordnen, kein Verstoß gegen eine ihm obliegende Schutzpflicht.
Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit dem Nutzen von Rauchwarnmeldern vertraut gemacht. Er hat erkannt, dass Rauchwarnmelder ein geeignetes Mittel sind, um entstehende Brände frühzeitig entdecken und Schutzmaßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können. Hieraus folgt indessen noch nicht die verfassungsrechtlich zwingende Pflicht, die Anbringung von Rauchwarnmeldern in allen vorhandenen Wohnungen gesetzlich anzuordnen. Nicht jedes nützliche und verantwortungsbewusste Verhalten von Personen bedarf der gesetzlichen Regelung. Umgekehrt ist nicht jede gesetzliche Regelung zur Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge verfassungsrechtlich zwingend geboten. Der Staat hat bei der Entscheidung über ein Tätigwerden auch die verfassungsrechtliche Grundaussage für die Freiheit und Selbständigkeit der Menschen zu beachten. Hierin kommt die subsidiäre Zweckbestimmung des Staates zum Ausdruck, die in der Verfassung von Rheinland-Pfalz ihre besondere Ausprägung gefunden hat. Staatlicher Schutz ist umso mehr geboten, je stärker der Einzelne von ihm selbst nicht abwendbaren Gefahren ausgeliefert ist. Umgekehrt unterliegt der Gesetzgeber dann umso weniger konkreten Handlungspflichten, je mehr der Einzelne die Gefahrenlage und die Möglichkeit zu ihrer Abwendung selbst beherrscht. Dies gilt gerade für die vielfältigen Gefahren im häuslichen Bereich und zwar auch dann, wenn Eltern ihre Kinder in die Obhut Dritter geben.
Hiernach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber auf die Einführung einer uneingeschränkten Pflicht zur Installation von Rauchwarnmeldern verzichtet hat. Hinzu kommt, dass er auch den Vollzugsaspekt berücksichtigen durfte. Bei batteriebetriebenen Rauchwarnmeldern, die auch nach Auffassung der Beschwerdeführerin bei Altbauten allein in Betracht kommen, hängt deren Funktionsfähigkeit insbesondere vom rechtzeitigen Auswechseln der Batterien ab. Diese Wartungsarbeit kann zeitnah nur durch den Wohnungsinhaber erbracht werden. Wenn damit die Aufrechterhaltung der Funktionssicherheit batteriebetriebener Rauchwarnmelder letztlich doch von der Eigenverantwortung des jeweiligen Wohnungsnutzers abhängt, ist die Entscheidung des Gesetzgebers von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, auch bereits in Bezug auf den Einbau dieser Warnmelder auf das Verantwortungsbewusstsein der Menschen zu vertrauen.Deshalb konnte der Gesetzgeber beim Erlass der materiellen Standards Zurückhaltung üben und auf Gesetze verzichten, die ohnehin nur mahnenden Charakter haben. Dies gilt in verstärktem Maße angesichts des Bemühens des Gesetzgebers, den Umfang des Normbestandes insgesamt zurückzuführen.
2. Dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zum Anbringen von Rauchwarnmeldern auf die Errichtung und wesentliche Änderung baulicher Anlagen gemäß § 44 Abs. 8 in Verbindung mit § 85 Abs. 1 und Abs. 2 LBauO beschränkt hat, ist auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar.
Der sachliche Grund unterschiedlicher Regelungen für Neubauten einerseits und für Altbauten andererseits besteht in den unterschiedlichen Möglichkeiten der Überwachung dieser Vorschriften. Sie kann bei Neubauten ohne zusätzlichen Aufwand im Rahmen der allgemeinen Baukontrolle erfolgen. Was die Bedenken gegen die dauerhafte Funktionsfähigkeit batteriebetriebener Rauchwarnmelder anbelangt, so hat sich der Gesetzgeber ersichtlich von der Vorstellung leiten lassen, dass die Regelung in § 44 Abs. 8 LBauO bei der Neuerrichtung von Gebäuden in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle zur Einrichtung eines stromnetzgebundenen und vernetzten Rauchwarnmeldersystems führen wird, womit die Notwendigkeit nachträglicher Kontrollen weitgehend entfällt."
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.07.2005
Quelle: ra-online, VerfGH Rheinland-Pfalz
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