14.11.2024
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Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Dokument-Nr. 666

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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss05.07.2005

Land verletzt Schutzpflicht nicht, wenn er nicht generell Anbringung von Rauch­warn­meldern in Altbauten anordnetLandes­ge­setzgeber muss Rauchwarnmelder in Altbauten nicht vorschreiben

Der Landes­ge­setzgeber ist nicht verpflichtet, die Anbringung von Rauch­warn­meldern auch in Altbauten generell anzuordnen.

Das Land Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland Ende 2003 mit § 44 Abs. 8 der Landes­bau­ordnung die gesetzliche Verpflichtung eingefügt, in Schlafräumen und Kinderzimmern sowie Fluren von Neubauten Rauchwarnmelder anzubringen.

Die 6-jährige Beschwer­de­führerin, die von ihrer Mutter vertreten wird, wohnt in einer bereits 1979 erbauten Wohnung. Da dort nach der Landes­bau­ordnung keine Rauchwarnmelder installiert werden müssen, hat sie Verfas­sungs­be­schwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihr Leben im Falle eines Brandes und der damit verbundenen Rauch­ent­wicklung nicht geschützt sei. Nach der Feuer­wehr­sta­tistik blieben nach Ausbruch eines Brandes lediglich vier Minuten zur Flucht. Diese Zeit könnte genutzt werden, würden Rauchwarnmelder sofort Alarm schlagen. Dadurch, dass in Altbauten Rauchwarnmelder nicht generell vorgeschrieben seien, habe der Staat seine verfas­sungs­rechtliche Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit verletzt. Insbesondere Kinder seien ohne Rauchwarnmelder großen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Deshalb würden die Kinder, die in einer Altbauwohnung lebten, willkürlich benachteiligt. Der Bestandschutz für Altbauten könne die unzureichende gesetzliche Regelung nicht rechtfertigen. Auch sei der Aufwand für die Überwachung der Installation von Rauch­warn­meldern in Altbauten zum Schutze des Lebens von Kindern zumutbar.

Der Verfas­sungs­ge­richtshof wies diese Verfas­sungs­be­schwerde zurück. Der Vorsitzende führte zur Begründung aus:

"Aus den Grundrechten der Beschwer­de­führerin ergibt sich keine Pflicht des Landes­ge­setz­gebers, auch für bestehende Wohngebäude die Installation von Rauch­warn­meldern vorzuschreiben.

1. Soweit die Landes­ver­fassung Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrt­heit sowie auf Gleich­be­handlung gewährleistet, folgt daraus auch eine Pflicht des Staates, sich gegenüber Gefahren schützend für diese Grundrechte einzusetzen.

Wie diese Schutzpflicht im Bereich der Gesetzgebung erfüllt wird, ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers selbst. Ihm steht bei der Erfüllung dieser Pflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­spielraum zu.

Gemessen daran ist die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Gesetzgebers, für den vorhandenen Bestand von ca. 1,9 Millionen Wohnungen im Land das Anbringen von Rauch­warn­meldern gesetzlich nicht anzuordnen, kein Verstoß gegen eine ihm obliegende Schutzpflicht.

Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit dem Nutzen von Rauch­warn­meldern vertraut gemacht. Er hat erkannt, dass Rauch­warn­­melder ein geeignetes Mittel sind, um entstehende Brände frühzeitig entdecken und Schutzmaßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können. Hieraus folgt indessen noch nicht die verfas­sungs­­rechtlich zwingende Pflicht, die Anbringung von Rauch­warn­meldern in allen vorhandenen Wohnungen gesetzlich anzuordnen. Nicht jedes nützliche und verant­wor­tungs­­­be­wusste Verhalten von Personen bedarf der gesetzlichen Regelung. Umgekehrt ist nicht jede gesetzliche Regelung zur Gefahrenabwehr und Gefah­ren­­vorsorge ver­fas­sungs­rechtlich zwingend geboten. Der Staat hat bei der Entschei­dung über ein Tätigwerden auch die ver­fas­sungs­rechtliche Grundaussage für die Freiheit und Selbständigkeit der Men­schen zu beachten. Hierin kommt die subsidiäre Zweck­­be­stimmung des Staates zum Ausdruck, die in der Verfassung von Rheinland-Pfalz ihre besondere Ausprä­gung gefunden hat. Staatlicher Schutz ist umso mehr geboten, je stärker der Einzelne von ihm selbst nicht abwendbaren Gefahren aus­geliefert ist. Umgekehrt unterliegt der Gesetzgeber dann umso weniger konkreten Handlungs­­pflichten, je mehr der Einzelne die Gefahrenlage und die Möglichkeit zu ihrer Abwendung selbst beherrscht. Dies gilt gerade für die viel­fältigen Gefahren im häuslichen Bereich und zwar auch dann, wenn Eltern ihre Kinder in die Obhut Dritter geben.

Hiernach ist es verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber auf die Einführung einer unein­ge­schränkten Pflicht zur Installation von Rauch­warn­­meldern verzichtet hat. Hinzu kommt, dass er auch den Vollzugsaspekt berück­­sich­ti­gen durfte. Bei batte­rie­be­triebenen Rauch­warn­meldern, die auch nach Auffassung der Beschwer­de­führerin bei Altbauten allein in Betracht kommen, hängt deren Funkti­o­ns­fä­higkeit insbesondere vom rechtzeitigen Auswechseln der Batterien ab. Diese Wartungsarbeit kann zeitnah nur durch den Wohnungsinhaber erbracht werden. Wenn damit die Aufrecht­er­haltung der Funkti­o­ns­si­cherheit batte­rie­­be­triebener Rauchwarnmelder letztlich doch von der Eigen­ver­ant­wortung des jeweiligen Wohnungsnutzers abhängt, ist die Entscheidung des Gesetzgebers von Ver­fassungs wegen nicht zu beanstanden, auch bereits in Bezug auf den Einbau dieser Warnmelder auf das Verant­wor­tungs­be­wusstsein der Menschen zu vertrauen.Deshalb konnte der Gesetzgeber beim Erlass der materiellen Standards Zurück­haltung üben und auf Gesetze verzichten, die ohnehin nur mahnenden Charakter haben. Dies gilt in verstärktem Maße angesichts des Bemühens des Gesetzgebers, den Umfang des Normbestandes insgesamt zurückzuführen.

2. Dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zum Anbringen von Rauch­warn­meldern auf die Errichtung und wesent­liche Änderung baulicher Anlagen gemäß § 44 Abs. 8 in Verbindung mit § 85 Abs. 1 und Abs. 2 LBauO beschränkt hat, ist auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar.

Der sachliche Grund unter­schied­licher Regelungen für Neubauten einerseits und für Altbauten andererseits besteht in den unter­schied­lichen Möglichkeiten der Über­wachung dieser Vorschriften. Sie kann bei Neubauten ohne zusätzlichen Auf­wand im Rahmen der allgemeinen Baukontrolle erfolgen. Was die Bedenken gegen die dauerhafte Funkti­o­ns­fä­higkeit batte­rie­be­triebener Rauchwarnmelder anbelangt, so hat sich der Gesetzgeber ersichtlich von der Vorstellung leiten las­sen, dass die Regelung in § 44 Abs. 8 LBauO bei der Neuerrichtung von Gebäu­den in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle zur Einrichtung eines strom­netz­­ge­bundenen und ver­netzten Rauch­warn­­mel­der­systems führen wird, womit die Notwendigkeit nach­­träg­­licher Kontrollen weitgehend entfällt."

Quelle: ra-online, VerfGH Rheinland-Pfalz

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