§ 29 POG erlaubt zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, die akustische und optische Wohnraumüberwachung durch den Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung. Mit seiner hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerde hatte der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, geltend gemacht, das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 7 Abs. 1 Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV) schließe die Möglichkeit einer Wohnraumüberwachung aus. Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde zurück.
Zwar schütze Art. 7 Abs. 1 LV den elementaren Lebensraum der eigenen Wohnung und gewährleiste das Recht, in ihm in Ruhe gelassen zu werden. Die Regelung enthalte daher das grundsätzliche Verbot, gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung einzudringen oder Abhörgeräte bzw. Kameras zu installieren. Jedoch ermächtige Art. 7 Abs. 3 LV den Gesetzgeber, die Unverletzlichkeit der Wohnung zur Behebung öffentlicher Notstände einzuschränken. Dies gelte nicht nur im Hinblick auf Naturkatastrophen oder allgemeine Notlagen - wie es der Beschwerdeführer angenommen hatte -, sondern berechtige auch zu Maßnahme der präventiven Wohnraumüberwachung. Allerdings müsse Art. 7 Abs. 3 LV in grundrechtsfreundlicher Auslegung mit dem Schutzniveau in Einklang gebracht werden, das die bundesverfassungsrechtliche Regelung des Art. 13 Abs. 4 GG vermittele. Danach seien Maßnahmen der Wohnraumüberwachung nur zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, und nur auf Grund richterlicher Anordnung gestattet. Bei einer Gesamtschau der gestatteten Grundrechtseingriffe, der strengen Eingriffsvoraussetzungen und zusätzlicher grundrechtssichernder Verfahrensbestimmungen genüge § 29 POG diesen Anforderungen an die Beschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung.
So sei die Anordnung von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen nach § 29 POG erst dann zulässig, wenn der Eintritt dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, hinreichend wahrscheinlich sei. Das Erfordernis der Dringlichkeit der Gefahr für die genannten Rechtsgüter erhöhe nochmals die Eingriffsschwelle sowohl hinsichtlich der Rechtsgüter, deren Schutz die Wohnraumüberwachung dienen solle, als auch des Grades der Wahrscheinlichkeit ihrer Gefährdung. Die zusätzliche Benennung der "gemeinen Gefahr", die an das Betroffensein einer unbestimmten Zahl von Personen oder Sachen anknüpfe, und der "Lebensgefahr" gewährleiste, dass nur hochrangige Rechtsgüter eine Wohnraumüberwachung rechtfertigen könnten. Verfahrensrechtlich unterliege die automatische Datenerhebung außerdem einer ständigen begleitenden richterlichen Kontrolle.
§ 29 POG gewährleiste darüber hinaus den absoluten Schutz des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Die Privatwohnung stelle insoweit als "letztes Refugium" ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde dar. Eine akustische oder optische Wohnraumüberwachung habe deshalb grundsätzlich zu unterbleiben, wenn sich jemand allein oder ausschließlich mit Personen in der Wohnung aufhalte, zu denen er in einem besonderen Vertrauensverhältnis stehe. In einem solchen Fall sei die Wohnraumüberwachung ausnahmsweise nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte vorlägen, die zu erwartenden Gespräche oder Handlungen würden einen unmittelbaren Bezug zu einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit aufweisen. Eine berechtigterweise begonnene Wohnraumüberwachung müsse aber abgebrochen werden, sobald eine Situation eintrete, die dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sei. Zudem sei eine Datenerhebung in ein durch ein Amts- und Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis, beispielsweise zu einem Geistlichen oder Rechtsanwalt, bereits von Gesetzes wegen ausnahmslos unzulässig. Hingegen gestatte das Gesetz unter engen Voraussetzungen zulässigerweise eine automatisierte Speicherung des Inhalts abgehörter Gespräche. Dies könne etwa erforderlich sein, wenn Gespräche in einer Fremdsprache oder von mehreren Teilnehmern geführt würden.
Die Regelung des § 29 POG wahre auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme diene dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Gewährleistung eines wirkungsvollen Schutzes der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen. Ihre Eignung zur Erreichung dieses Ziels werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass bisher nur eine geringe Zahl von Wohnraumüberwachungen durchgeführt worden seien. Dies beruhe auf dem mit der Maßnahme verbundenen hohen Aufwand und auf der polizeilichen Zurückhaltung beim Einsatz dieses der Gefahrenabwehr dienenden Instruments. Die restriktive Praxis stärke das Vertrauen der Allgemeinheit in eine grundrechtsschonende Überwachungspraxis. Eine weniger grundrechtsbeeinträchtigende Alternative, die der Gefahrenabwehr gleich wirksam diene, sei nicht ersichtlich.
Schließlich sei auch die Überwachung des Wohnraums von so genannten Kontakt- und Begleitpersonen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, d.h. von Personen, die mit einer anderen, der Begehung zukünftiger Straftaten verdächtigen Person in Verbindung stehen. Eine solche Maßnahme setze als unerlässliche Voraussetzung zum einen das Vorliegen einer dringenden Gefahr für ein hochrangiges Rechtsgut voraus. Zum anderen müsse die Maßnahme zusätzlich der Verhinderung von im Gesetz genannten besonders schweren Straftaten dienen, die ausnahmslos mit einer Höchststrafe von mehr als fünf Jahren bedroht seien.