Dokument-Nr. 1996
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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil25.01.2006
Kommunaler Finanzausgleich für ausländische Stationierungskräfte verfassungswidrig
Mit der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungs- und Finanzausstattungsgarantie steht es nicht in Einklang, dass der Landesgesetzgeber bei der Ermittlung des Finanzbedarfs einer Gemeinde, in der ausländische Streitkräfte stationiert sind, die nicht kasernierten Soldaten im Gegensatz zu den Familien- und Zivilangehörigen dieser Streitkräfte unberücksichtigt lässt. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Nach dem rheinland-pfälzischen Finanzausgleichsgesetz erhalten Gemeinden Schlüsselzuweisungen, um einen Ausgleich zwischen dem Finanzbedarf und der unterschiedlichen Finanzkraft der Kommunen zu schaffen. Wesentlicher Maßstab ist dabei die Einwohnerzahl der Gemeinde. Daneben werden besondere Belastungen berücksichtigt, darunter solche, die mit der Stationierung ausländischer Streitkräfte verbunden sind. Dazu werden allerdings nur die Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen Streitkräfte erfasst. Die nicht kasernierten Soldaten finden demgegenüber – wie im Übrigen auch die kasernierten Soldaten – keine Berücksichtigung.
Von dieser Regelung ist - neben anderen - auch die Ortsgemeinde Bann betroffen. Sie hatte zunächst vor den Verwaltungsgerichten erfolglos eine höhere Schlüsselzuweisung für das Jahr 2001 mit der Begründung begehrt, bei deren Festsetzung müssten von Verfassungs wegen auch die nicht kasernierten Soldaten der ausländischen Stationierungskräfte berücksichtigt werden, weil sie die von der Gemeinde vorgehaltenen Einrichtungen (Sportanlagen usw.) in gleichem Maße nutzten wie die ebenfalls nicht kasernierten Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen Streitkräfte. Der von der Gemeinde Bann danach erhobenen Verfassungsbeschwerde gab der Verfassungsgerichtshof statt und verpflichtete den Gesetzgeber, bis zum 31. Dezember 2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
Die Landesverfassung gewährleiste den Gemeinden das Recht auf Selbstverwaltung und verpflichte das Land, den Kommunen die zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Zwar sehe die Verfassung keine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs vor. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit müsse der Gesetzgeber aber das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung beachten. Durch die Entscheidung für ein bestimmtes Verteilungssystem binde und verpflichte er sich, mit den selbst gewählten Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäben eine im Grundsatz folgerichtige, widerspruchsfreie Ausgleichskonzeption zu schaffen und sie einzuhalten. Diesen Anforderungen werde es nicht gerecht, bei der Ermittlung des Finanzbedarfs einer Gemeinde die nicht kasernierten Soldaten ausländischer Stationierungskräfte im Gegensatz zur Gruppe der Familien- und Zivilangehörigen unberücksichtigt zu lassen.
Nach der Grundkonzeption des Landesfinanzausgleichsgesetzes werde der Finanzbedarf einer Gemeinde im Wesentlichen durch die Zahl der mit Hauptwohnsitz gemeldeten Einwohner bestimmt, für die die kommunalen Leistungen in erster Linie erbracht oder vorgehalten würden. Wenn das Gesetz daneben auch die nicht den deutschen Meldevorschriften unterliegende Gruppe der Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungskräfte berücksichtige, so geschehe dies ersichtlich aus der Erwägung, dass deren Lebensgewohnheiten denen der gemeldeten Einwohner nahe kämen. Die damit zugleich verbundene „Ausklammerung“ der nicht kasernierten Soldaten ausländischer Stationierungskräfte stelle keine folgerichtige Umsetzung der vom Gesetzgeber selbst gewählten Konzeption des Lasten- und Finanzausgleichs dar. Vielmehr liege eine Systemwidrigkeit vor, die nicht durch hinreichend plausible Gründe gerechtfertigt sei. In der Lebenswirklichkeit lasse sich nicht feststellen, dass die in der Gemeinde wohnhaften, nicht kasernierten Soldaten die kommunalen Einrichtungen in geringerem Maße nutzten als die Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen Streitkräfte.
Diese Systemwidrigkeit sei auch nicht mehr aus verwaltungspraktischen Gründen vertretbar. Denn unter den aktuellen Bedingungen sei ein signifikanter Unterschied in der statistischen Erfassbarkeit der nicht kasernierten Soldaten im Vergleich zu den Familien- und Zivilangehörigen für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.03.2006
Quelle: Pressemitteilung Nr. 04/06 des VGH Rheinland-Pfalz vom 03.03.2006
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