Der Landtag Nordrhein-Westfalen stellte in seiner Plenarsitzung vom 20. Dezember 2022 durch Beschluss fest, dass die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Krisensituation im Jahr 2023 eine außergewöhnliche Notsituation begründe, die sich der Kontrolle des Staates entziehe und die Finanzlage des Landes Nordrhein-Westfalen erheblich beeinträchtige. Am selben Tag beschloss der Landtag das Haushaltsgesetz 2023. In seiner Sitzung vom 21. Dezember 2022 verabschiedete der Landtag das NRW-Krisenbewältigungsgesetz. Dadurch wurde das Sondervermögen "Bewältigung der Krisensituation in Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine" errichtet. Das Haushaltsgesetz 2023 enthält in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 die Ermächtigung des Ministeriums der Finanzen zur Aufnahme von Kreditmitteln bis zum Höchstbetrag von 5 Mrd. Euro zur Finanzierung der Aufgaben dieses Sondervermögens. Damit verbunden ist in § 2 Abs. 1 Satz 3 Haushaltsgesetz 2023 die Regelung, dass die danach aufgenommenen Kreditmittel ab dem Jahr 2024 innerhalb von 25 Jahren konjunkturgerecht getilgt werden.
Die Mitglieder der NRW-Landtagsfraktionen der SPD und FDP haben einen Normenkontrollantrag zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung dieser Kreditermächtigung und Tilgungsregelung gestellt. Sie machen geltend, die beanstandete Norm des Haushaltsgesetzes 2023 sei verfassungswidrig, weil sie mit den maßgeblichen Regelungen zur Schuldenbremse unvereinbar sei. Die Voraussetzungen der "Notlagenausnahme" seien nicht erfüllt.
Der Verfassungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unzulässig verworfen. In ihrer mündlichen Urteilsbegründung hat die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Dr. h.c. Dauner-Lieb unter anderem ausgeführt:
Dem Verfassungsgerichtshof ist eine Überprüfung, ob das Haushaltsgesetz 2023 gegen die Schuldenbremse verstößt, nicht zugänglich. Die landeshaushaltsrechtlichen Bestimmungen können vom Verfassungsgerichtshof im Wege der abstrakten Normenkontrolle nur am Maßstab der Landesverfassung überprüft werden. Eine Kontrolle anhand von Regelungen des Grundgesetzes oder einfachgesetzlicher Vorschriften ohne Verfassungsrang ist unzulässig. Eine landesverfassungsrechtliche Regelung der Schuldenbremse, anhand derer der Verfassungsgerichtshof das Haushaltsgesetz überprüfen könnte, gibt es aber nicht.
Das in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltene grundsätzliche Verbot der Nettokreditaufnahme gilt seit dem 1. Januar 2020 zwar unmittelbar auf Basis des Grundgesetzes und ist damit auch für die Länder verbindlich. Die in Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG vorgesehene nähere Ausgestaltung für die Haushalte der Länder erfolgte in Nordrhein-Westfalen aber nicht in der Landesverfassung, sondern in der Landeshaushaltsordnung (§§ 18 bis 18h LHO) und damit durch einfaches Gesetz ohne Verfassungsrang.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.01.2025
Quelle: Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/pt)