Die Gegendarstellung des Polizeipräsidenten richtet sich gegen einen Artikel in der taz vom 28. November 2007. Darin wurde unter der Überschrift „Polizei ermittelt in den eigenen Reihen“ darüber berichtet, dass ein Gespräch eines krankgeschriebenen Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit einem Journalisten in einer Bäckerei in Großbeeren/Brandenburg dazu geführt habe, dass gegen alle im Raum Großbeeren wohnenden SEK-Beamten Ermittlungsverfahren eröffnet worden seien. In diesem Zusammenhang wurde auch berichtet, wie viele Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt in den Jahren 2005 und 2006 von der Polizei bearbeitet und vor Prozesseröffnung von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden seien sowie in wie vielen Strafverfahren es zu Freisprüchen gekommen sei.
Der Polizeipräsident forderte die taz am 5. Dezember 2007 zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf. Darin ließ er im Wesentlichen erklären, dass kein einziges Ermittlungsverfahren gegen SEK-Beamte wegen des Treffens mit einem Journalisten eingeleitet worden sei. Auch seien die berichteten Zahlen über von Polizisten begangene Körperverletzungen im Amt und hierzu eingestellte Strafverfahren im Jahr 2006 falsch (zu hoch) angegeben worden.
Am 20. Dezember 2007 hat das Landgericht Berlin der taz im Wege einstweiliger Verfügung aufgegeben, die Gegendarstellung abzudrucken. Am 10. Januar 2008 hat es wegen Nichtabdrucks der Gegendarstellung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro verhängt und ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, für je angefangene 500 Euro einen Tag Zwangshaft gegen den Geschäftsführer der taz angeordnet.
Der Verfassungsgerichtshof hat nun auf Antrag der Zeitung die weitere Vollstreckung ausgesetzt. Er hat ausgeführt, den Schutz der Pressefreiheit garantiert die Verfassung von Berlin zwar nur "innerhalb der Gesetze". Hierzu zählt die Vorschrift des Pressegesetzes von Berlin, die auch staatlichen Stellen wie dem Polizeipräsidenten in Berlin als Behörde ein Recht auf Gegendarstellung einräumt. Wie weit dieser gesetzliche Anspruch mit Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Presse reicht, ist aber bisher vom Verfassungsgerichtshof nicht entschieden und bedarf näherer verfassungsrechtlicher Prüfung in dem gleichzeitig eingeleiteten Verfassungsbeschwerdeverfahren. Bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde muss die taz die Gegendarstellung nicht abdrucken.
Maßgeblich für diese vorläufige Entscheidung ist eine Folgenabwägung, die der Verfassungsgerichtshof im Ergebnis zugunsten der Zeitung getroffen hat: Trotz der inzwischen unstreitigen Unrichtigkeit der beanstandeten Berichterstattung überwiegen die Interessen der taz, die Gegendarstellung vorläufig nicht abdrucken zu müssen, insbesondere weil der Abdruck einer Gegendarstellung generell einen nur schwer ausgleichbaren Imageschaden für das zum Abdruck verpflichtete Presseunternehmen bewirken kann. Dagegen ist der Gegendarstellungsanspruch des Polizeipräsidenten lediglich einfachrechtlich durch das Landespresserecht eingeräumt und bei dem festgestellten Sachverhalt nicht von solchem Gewicht, dass die widerspruchslos bleibende falsche Berichterstattung mit einem vergleichbaren Ansehensverlust der Behörde verbunden wäre oder sonst unerträglich erschiene.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.02.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VerfGH Berlin vom 27.02.2008