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Dokument-Nr. 18267

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Verfassungsgerichtshof Berlin Beschluss14.05.2014

Verfas­sungs­be­schwerde gegen Berliner Justiz­voll­zugs­da­ten­schutz­gesetz zurückgewiesen§ 27 Abs. 1 des Justiz­voll­zugs­da­ten­schutz­ge­setzes Berlin (JVollzDSG Bln) bei verfas­sungs­kon­former Auslegung mit Verfassung von Berlin vereinbar

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines Strafgefangenen gegen das Berliner Justiz­voll­zugs­da­ten­schutz­gesetz vom 21. Juni 2011 wurde zurückgewiesen. Dies hat der Verfas­sungs­ge­richtshof Berlin in seiner Entscheidung bekanntgegeben.

Da die Verfassungsbeschwerde weitgehend unzulässig war, wurde nur eine Bestimmung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 JVollzDSG Bln) inhaltlich nachgeprüft und hierzu eine einschränkende, verfas­sungs­konforme Auslegung beschlossen.

Die überprüfte Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

§ 27 Unterrichtung über Datenerhebung

(1) Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung perso­nen­be­zogener Daten werden Betroffene unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit und sobald vollzugliche Zwecke nicht entgegenstehen.

(2) Die Unterrichtung kann unterbleiben,

1. wenn die Daten nach einer Rechts­vor­schrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen des überwiegenden berechtigten Interesses eines Dritten, geheim gehalten werden müssen,

2. wenn nach den Umständen der Erhebung davon auszugehen ist, dass die Betroffenen von der Tatsache der Erhebung Kenntnis genommen haben oder

3. wenn der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.

Justiz­voll­zugs­da­ten­schutz­gesetz berühre Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten

Hierzu hat der Beschwer­de­führer geltend gemacht, § 27 JVollzDSG Bln berühre das Grundrecht auf Schutz seiner persönlichen Daten (aus Art. 33 der Verfassung von Berlin) in seinem Kerngehalt, soweit eine Unterrichtung über die Datenerhebung unterbleiben könne. Außerdem sei die Vorschrift unbestimmt.

Verfas­sungs­be­schwerde zulässig jedoch nicht begründet

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hat ausgeführt: Der Beschwer­de­führer ist durch diese Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Der Anwen­dungs­bereich der Vorschrift umfasst auch seine perso­nen­be­zogenen Daten als Gefangener. Für die Dauer seiner Inhaftierung kann die Vorschrift ihm gegenüber jederzeit angewandt werden. Deshalb ist die Verfas­sungs­be­schwerde gegen das Gesetz insoweit zulässig. Sie ist jedoch im Ergebnis nicht begründet.

Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung und Grundrecht auf Rechtsschutz erheblich beschnitten

Die Regelung in § 27 JVollzDSG Bln greift in die durch Art. 33 VvB gewährleistete Befugnis des Einzelnen ein, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebens­sach­verhalte offenbart. Dieses Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung und das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz wird durch die Ermächtigung der Vollzugs­be­hörden, Daten ohne Kenntnis zu erheben und in näher bestimmten Fällen von einer nachträglichen Unterrichtung vorübergehend oder auf Dauer abzusehen, erheblich beschnitten. Bei nicht erkennbaren Eingriffen hat der Grund­recht­s­träger in der Regel zumindest Anspruch auf spätere Kenntnis und Bekanntgabe der staatlichen Maßnahme. Ausnahmen von der Benach­rich­ti­gungs­pflicht sind nur in Abwägung mit verfas­sungs­rechtlich geschützten Rechtsgütern zulässig und auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken.

Zu weitgehende Ermächtigung zugunsten der vollzuglichen Zwecke

Diesen Anforderungen wird § 27 Abs. 1 JVollzDSG Bln nur bei einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung gerecht. Die Bestimmung ist nicht unbestimmt. Sie enthält aber eine dem Wortlaut nach zu weitgehende Ermächtigung zugunsten der im Gesetz (an anderer Stelle in § 6 Abs. 1 JVollzDSG Bln) definierten „vollzuglichen Zwecke“.

Einengende Auslegung der Vorschrift von Nöten

Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 JVollzDSG Bln bedarf deshalb der einengenden Auslegung. Sie ist mit der Verfassung von Berlin nur vereinbar, soweit und solange Vollzugszwecke durch eine Benach­rich­tigung konkret gefährdet werden und wenn eine Abwägung mit den Grundrechten des Betroffenen ergibt, dass die Nicht­un­ter­richtung zur Wahrung der geschützten Zwecke im überwiegenden öffentlichen Interesse notwendig ist.

Die weiteren Ausnahmen von der Benach­rich­ti­gungs­pflicht in § 27 Abs. 2 JVollzDSG Bln sind verfas­sungs­rechtlich nicht bedenklich.

Erläuterungen

Hinweis:

Die oben zusätzlich zitierten Bestimmungen der Verfassung von Berlin (VvB) und des Justiz­voll­zugs­da­ten­schutz­ge­setzes (JVollzDSG Bln) lauten:

Art. 33 VvB

Das Recht des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, wird gewährleistet. Einschränkungen dieses Rechts bedürfen eines Gesetzes. Sie sind nur im überwiegenden Allge­mein­in­teresse zulässig.

§ 6 JVollzDSG Bln

(1) Vollzugliche Zwecke sind

1.die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen,

2.die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten der Gefangenen zu schützen,

3.Leib, Leben, Freiheit und Vermögen der Bediensteten und der Gefangenen sowie das Vermögen des Landes durch die Aufrecht­er­haltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalten zu schützen,

4.Entweichung und Befreiung von Gefangenen zu verhindern,

5.Nichtrückkehr und Missbrauch von Lockerungen zu vermeiden sowie

6.die Mitwirkung des Justizvollzuges an den ihm durch Gesetz übertragenen sonstigen Aufgaben, insbesondere an Gefangene betreffenden Entscheidungen der Straf­voll­stre­ckungs­kammern durch vorbereitende Stellungnahmen.

Quelle: Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin/ ra-online

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