21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil29.05.2008

Erken­nungs­dienstliche Behandlung nach Bestrafung wegen Internet-Kinderpor­no­grafie rechtmäßigGefahr weiterer Straftaten

Nutzer von kinderpor­no­gra­fischem Material im Internet dürfen in aller Regel erken­nungs­dienstlich behandelt werden. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg entschieden und damit ein Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Karlsruhe bestätigt.

Der Kläger hatte als Teilnehmer sogenannter Chatgroups im Internet auf eine große Menge kinderpor­no­gra­fischer Bilder und Filme zugegriffen. Vom Amtsgericht wurde er wegen des Besitzes kinderpor­no­gra­fischer Schriften (§ 184 b Abs. 4 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Während des Ermitt­lungs­ver­fahrens wurde von der Polizei die erken­nungs­dienstliche Behandlung (Lichtbilder, Fingerabdrücke) angeordnet. Der Kläger hat dagegen eingewandt, dass er nicht pädophil veranlagt sei und deswegen keine Wieder­ho­lungs­gefahr bestehe; auch seien die erken­nungs­dienst­lichen Unterlagen in einem künftigen Ermitt­lungs­ver­fahren nutzlos, da bei Herunterladen von Dateien aus dem Internet keine verwertbaren Spuren hinterlassen würden.

Aufbewahrung erken­nungs­dienst­licher Unterlagen zulässig, wenn die Gefahr weiterer Straftaten besteht

Der Verwal­tungs­ge­richtshof ist dem, wie bereits das Verwal­tungs­gericht, nicht gefolgt und hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Anfertigung und Aufbewahrung erken­nungs­dienst­licher Unterlagen im Interesse der Straf­ver­fol­gungs­vorsorge sei nur dann zulässig, wenn die Gefahr weiterer Straftaten bestehe und diese Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten.

Gericht sieht pädosexuelle Ansprechbarkeit beim Kläger

Die Polizei sei zutreffend von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184 b StGB ausgegangen. Der Kläger sei bei der Suche nach einschlägigem Material mit großem Eifer vorgegangen und habe das Material auch auf seinen Computern gespeichert; damit sei seine pädosexuelle Ansprechbarkeit belegt. Die erken­nungs­dienst­lichen Unterlagen, z.B. Fingerabdrücke, seien für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen auch dann geeignet, wenn der Kläger sich wiederum des Internets bediene. So könne geklärt werden, wer einen Computer tatsächlich genutzt habe. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Daten­aus­tausches zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD sei möglich.

Gefahr sexueller Übergriffe darf angenommen werden

Daneben komme auch in Betracht, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt werde. Bei der polizei­recht­lichen Prognose dürfe auch von der Gefahr ausgegangen werden, dass ein Betrachter von kinderpor­no­gra­phischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neige. Insoweit gebe es zwar keine verlässlichen Erkenntnisse. Der Gesetzgeber wolle aber mit § 184 b StGB den Schutz der Kinder auf verschiedene Weise erreichen. Zum einen sollten durch Austrocknen des Marktes potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden. Zum anderen gehe es um den Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Nach Auffassung des Gesetzgebers sei nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpor­no­gra­phischer Darstellungen zum Kindes­miss­brauch angeregt werde. Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiere § 184 b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgehe. Das sei verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, da dem Gesetzgeber auch im Strafrecht ein Beurtei­lungs­spielraum zustehe. Wenn der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise ein mit weiteren Risiken verbundenes Verhalten strafrechtlich sanktioniere, sei dies auch bei der Straf­ver­fol­gungs­vorsorge zu beachten. Die gesetz­ge­be­rische Risikoein­schätzung müsse dann in die hier anzustellende Prognose einfließen. Sie sei jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spreche.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 19.08.2008

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