15.11.2024
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Urteil01.07.2008Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg9 S 593/08
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil01.07.2008

Novellierung der Abitur­ver­ordnung in Baden-Württemberg gültigKeine Verletzung des Gleichheits- oder Vertrau­ens­grund­satzes

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat den Normen­kon­trol­lantrag einer Schülerin gegen die ab dem kommenden Schuljahr geltende Änderung der Abitur­ver­ordnung abgewiesen. Mit der Novellierung ist das System der Kursbelegung in der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg reformiert worden. Neben den drei Pflicht­kern­fächern (Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache) sind demnach zwei Wahlkernfächer zu belegen, von denen ein Fach entweder eine weitere Fremdsprache oder eine Natur­wis­sen­schaft sein muss.

Die Antragstellerin ist Schülerin auf einer „Sport­pro­fil­schule“ und der Auffassung, die Neufassung der Kurswahl führe zu einer Ungleich­be­handlung der Profile und entwerte die bereits in der 9. Klasse durchgeführte Wahl des Profilfachs nachträglich. In den nunmehr vorgegebenen Fächern des zweiten Wahlkernfaches habe sie als Profilschülerin deutlich weniger Unterricht erhalten und damit keine gleichen Prüfungschancen. Darüber hinaus bestehe für die Angehörigen des Profilfachs bei der Kursbelegung keine echte Wahlmöglichkeit mehr: Bei Fortführung des Profilfachs folge aus der Beschränkung vielmehr, dass Wunschfächer, wie etwa Gemein­schaftskunde, nicht mehr ausgewählt werden könnten.

Der Senat hat entschieden, dass sich die Neufassung der entsprechenden Regelung in der Abitur­ver­ordnung im Rahmen der im Schulgesetz für Baden-Württemberg enthaltenen Verord­nungs­er­mäch­tigung hält und auch nicht gegen höherrangiges Verfas­sungsrecht verstößt.

Der Verord­nungsgeber habe dem Neigungsbereich hinreichend Bedeutung beigemessen. Den Schülerinnen und Schülern komme weiterhin die Möglichkeit zu, ein Fach ihrer persönlichen Neigung - wie etwa die „Profilfächer“ Sport, Musik oder Bildende Kunst - als vierstündiges Wahlkernfach zu belegen und in die Abiturprüfung einzubringen. Die streitige Regelung führe auch nicht zu unangemessenen Einschränkungen bei der Auswahl der Abitur­prü­fungs­fächer, denn das mündliche Prüfungsfach müsse nicht aus den Kernfächern gewählt werden. Die Antragstellerin besitze daher die Möglichkeit, das gewünschte Fach Gemein­schaftskunde trotz Belegung des Wahlkernfachs Sport als mündliches Abitur­prü­fungsfach auszuwählen.

Ein Anspruch, zusätzlich zur Auswahl des Fachs Sport auch das zweite Wahlkernfach frei bestimmen zu können, stehe der Antragstellerin nicht zu. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der Wahlmög­lich­keiten bei der Belegung der vierstündigen Kernfächer treffe vielmehr das Land in Ausübung der ihm übertragenen Schulhoheit. Maßstäbe für die pädagogische Beurteilung der schul­or­ga­ni­sa­to­rischen Maßnahmen enthalte das Grundgesetz grundsätzlich nicht.

Die angegriffene Regelung beinhalte auch keine Verletzung der Chancen­gleichheit und damit des Gleich­heits­satzes im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler einer Sport­pro­fil­schule entspreche sowohl hinsichtlich der Natur­wis­sen­schaften als auch im Hinblick auf die 2. Fremdsprache exakt derjenigen an anderen sprachlich orientierten Schulen. Mit diesen seien die „Profilschulen“ aber zu vergleichen, weil sie dem sprachlich-musischen Schultypus zuzurechnen seien. Dass eine 3. Fremdsprache von den Profilschülern nicht gewählt werden könne - weil diese zugunsten der Förderung im Profilfach entfällt -, sei zwingende Folge der Profilwahl. Diese führe umgekehrt auch dazu, dass im Profilfach selbst eine weit überpro­por­tionale Mehrförderung erteilt werden könne. Schülerinnen und Schüler des Sprachzuges erhielten etwa in der 1. Fremdsprache keine entsprechende Mehrförderung.

Schließlich überschreite die Neuregelung auch nicht die dem Normgeber bei der Rechtsänderung durch den rechts­s­taat­lichen Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes gezogenen Grenzen. Denn die Fortführung des in der 9. Klasse gewählten Profils werde durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt. Die Profilwahl enthalte jedoch keine Aussage zu den möglichen Kombi­na­ti­o­ns­mög­lich­keiten im Kurssystem der gymnasialen Oberstufe. Sie könne folglich auch keinen Anspruch auf Beibehaltung aller im Zeitpunkt der Auswahl bestehenden Kombi­na­ti­o­ns­mög­lich­keiten vermitteln. Eine längere Übergangsfrist sei daher zwar möglicherweise hilfreich gewesen, um die im Einzelfall bei der Profilwahl angestellten Erwägungen zu späteren Kombi­na­ti­o­ns­mög­lich­keiten nicht nachträglich zu enttäuschen; ein Anspruch hierauf bestehe mangels entsprechend verfestigter Rechtsposition indes nicht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 01.07.2008

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