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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil01.07.2008
Novellierung der Abiturverordnung in Baden-Württemberg gültigKeine Verletzung des Gleichheits- oder Vertrauensgrundsatzes
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Normenkontrollantrag einer Schülerin gegen die ab dem kommenden Schuljahr geltende Änderung der Abiturverordnung abgewiesen. Mit der Novellierung ist das System der Kursbelegung in der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg reformiert worden. Neben den drei Pflichtkernfächern (Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache) sind demnach zwei Wahlkernfächer zu belegen, von denen ein Fach entweder eine weitere Fremdsprache oder eine Naturwissenschaft sein muss.
Die Antragstellerin ist Schülerin auf einer „Sportprofilschule“ und der Auffassung, die Neufassung der Kurswahl führe zu einer Ungleichbehandlung der Profile und entwerte die bereits in der 9. Klasse durchgeführte Wahl des Profilfachs nachträglich. In den nunmehr vorgegebenen Fächern des zweiten Wahlkernfaches habe sie als Profilschülerin deutlich weniger Unterricht erhalten und damit keine gleichen Prüfungschancen. Darüber hinaus bestehe für die Angehörigen des Profilfachs bei der Kursbelegung keine echte Wahlmöglichkeit mehr: Bei Fortführung des Profilfachs folge aus der Beschränkung vielmehr, dass Wunschfächer, wie etwa Gemeinschaftskunde, nicht mehr ausgewählt werden könnten.
Der Senat hat entschieden, dass sich die Neufassung der entsprechenden Regelung in der Abiturverordnung im Rahmen der im Schulgesetz für Baden-Württemberg enthaltenen Verordnungsermächtigung hält und auch nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht verstößt.
Der Verordnungsgeber habe dem Neigungsbereich hinreichend Bedeutung beigemessen. Den Schülerinnen und Schülern komme weiterhin die Möglichkeit zu, ein Fach ihrer persönlichen Neigung - wie etwa die „Profilfächer“ Sport, Musik oder Bildende Kunst - als vierstündiges Wahlkernfach zu belegen und in die Abiturprüfung einzubringen. Die streitige Regelung führe auch nicht zu unangemessenen Einschränkungen bei der Auswahl der Abiturprüfungsfächer, denn das mündliche Prüfungsfach müsse nicht aus den Kernfächern gewählt werden. Die Antragstellerin besitze daher die Möglichkeit, das gewünschte Fach Gemeinschaftskunde trotz Belegung des Wahlkernfachs Sport als mündliches Abiturprüfungsfach auszuwählen.
Ein Anspruch, zusätzlich zur Auswahl des Fachs Sport auch das zweite Wahlkernfach frei bestimmen zu können, stehe der Antragstellerin nicht zu. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der Wahlmöglichkeiten bei der Belegung der vierstündigen Kernfächer treffe vielmehr das Land in Ausübung der ihm übertragenen Schulhoheit. Maßstäbe für die pädagogische Beurteilung der schulorganisatorischen Maßnahmen enthalte das Grundgesetz grundsätzlich nicht.
Die angegriffene Regelung beinhalte auch keine Verletzung der Chancengleichheit und damit des Gleichheitssatzes im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler einer Sportprofilschule entspreche sowohl hinsichtlich der Naturwissenschaften als auch im Hinblick auf die 2. Fremdsprache exakt derjenigen an anderen sprachlich orientierten Schulen. Mit diesen seien die „Profilschulen“ aber zu vergleichen, weil sie dem sprachlich-musischen Schultypus zuzurechnen seien. Dass eine 3. Fremdsprache von den Profilschülern nicht gewählt werden könne - weil diese zugunsten der Förderung im Profilfach entfällt -, sei zwingende Folge der Profilwahl. Diese führe umgekehrt auch dazu, dass im Profilfach selbst eine weit überproportionale Mehrförderung erteilt werden könne. Schülerinnen und Schüler des Sprachzuges erhielten etwa in der 1. Fremdsprache keine entsprechende Mehrförderung.
Schließlich überschreite die Neuregelung auch nicht die dem Normgeber bei der Rechtsänderung durch den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen. Denn die Fortführung des in der 9. Klasse gewählten Profils werde durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt. Die Profilwahl enthalte jedoch keine Aussage zu den möglichen Kombinationsmöglichkeiten im Kurssystem der gymnasialen Oberstufe. Sie könne folglich auch keinen Anspruch auf Beibehaltung aller im Zeitpunkt der Auswahl bestehenden Kombinationsmöglichkeiten vermitteln. Eine längere Übergangsfrist sei daher zwar möglicherweise hilfreich gewesen, um die im Einzelfall bei der Profilwahl angestellten Erwägungen zu späteren Kombinationsmöglichkeiten nicht nachträglich zu enttäuschen; ein Anspruch hierauf bestehe mangels entsprechend verfestigter Rechtsposition indes nicht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.07.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 01.07.2008
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